Einen interessanten Fall hatte am Mittwoch der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs zu entscheiden: Ein Arbeitgeber hatte einem Arbeitnehmer mit Kündigung gedroht, wenn dieser nicht in einen Aufhebungsvertrag einwillige. Der Arbeitnehmer reichte daraufhin mit Hilfe von zwei Rechtsanwälten eine Klage gegen den Arbeitgeber ein. Die Kosten für die Anwälte sollte die Rechtsschutzversicherung des Klägers tragen. Diese weigerte sich mit der Begründung, eine bloße Drohung sei noch kein Rechtsverstoß.
Das Inaussichtstellen einer Kündigung begründe als reine Absichtserklärung noch keine Veränderung der Rechtsposition des Klägers; dementsprechend stünde ihm in einem solchen Fall auch kein Rechtsbehelf zur Verfügung. Dies sei allein bei einer unberechtigt erklärten Kündigung möglich. Das Aufhebungsangebot habe sich im Rahmen der Privatautonomie bewegt, kritisierte die Rechtsschutzversicherung das Begehren ihres Kunden.
Das in erster Instanz angerufene Amtsgericht hatte der Klage des Arbeitnehmers aber stattgegeben. Die von dem Rechtsschutzversicherer dagegen eingelegte Berufung vor dem Landgericht wurde auch von diesem zurückgewiesen.
Nach Auffassung des Landgerichts liegt ein Rechtsverstoß schon in der Kündigungsandrohung selbst vor. Mit der Erklärung des Arbeitgebers, seine Beschäftigungspflicht nicht mehr erfüllen zu wollen, sei die den Rechtsschutz auslösende Pflichtverletzung bereits begangen, unabhängig davon, ob die in Aussicht gestellte Kündigung rechtmäßig sei. Damit aber beginne die sich vom Rechtsschutzversicherer übernommene Gefahr zu verwirklichen. Die Rechtsposition des Klägers sei bereits mit der Kündigungsandrohung beeinträchtigt; ihr Ausspruch nur noch eine rein formale Umsetzung.
Eine weitere Pflichtverletzung sah das Landgericht darin, dass der Arbeitgeber dem Kläger trotz Aufforderung die Sozialauswahl nicht dargelegt und ihn damit nicht in die Lage versetzt habe, eine sachgerechte Entscheidung treffen zu können.
Der Bundesgerichtshof hat nun in seiner Entscheidung vom Mittwoch (Urteil des IV. Zivilsenats vom 19.11.2008 – IV ZR 305/07) die Revision des Rechtsschutzversicherers zurückgewiesen und damit die Vorinstanzen im Ergebnis bestätigt.
Nach seit langem gefestigter, nicht umstrittener Rechtsprechung des Senats erfordert die Annahme eines Rechtsschutzfalles im Sinne von § 14 Abs. 3 Satz 1 ARB 75 bzw. § 4 (1) c) ARB 94/2000/2008 ein Vorbringen des Versicherungsnehmers mit objektivem Tatsachenkern, mit dem er den Vorwurf eines Rechtsverstoßes aufstellt und auf den er seine Interessenverfolgung stützt. Diese Grundsätze gelten laut Senat auch für die Androhung einer Kündigung des Arbeitsgebers.
Damit kommt es auf Differenzierungen, wie sie in Instanzrechtsprechung und Schrifttum vorgenommen werden – etwa zwischen Kündigungsandrohung und Kündigungsausspruch, verhaltens- und betriebsbedingten Kündigungen und eingetretenen oder noch bevorstehenden Beeinträchtigungen der Rechtsposition des Versicherungsnehmers – nicht an. Ebenso wenig gibt es eine besondere Fallgruppe für Kündigungen von Vertragsverhältnissen oder gar speziell für betriebsbedingte Kündigungen von Arbeitsverhältnissen.
Im zu entscheidenden Fall ist deshalb auch der Bundesgerichtshof vom Eintritt eines Rechtsschutzfalles ausgegangen. (BGH/ml)
Urteile zum vorliegenden Fall:
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Anmerkung der Redaktion: Das Urteil ist für Unternehmen auch abseits der Frage nach dem Eintritt der Rechtsschutzversicherungen von Interesse, zeigt es doch, dass bereits durch eine Kündigungsdrohung ein Arbeitnehmer sachlich – und im Falle einer bestehenden Rechtsschutzversicherung auch finanziell abgesichert – gegen seinen Arbeitgeber gerichtlich vorgehen kann. Personalverantwortlichen und Vorgesetzten ist deshalb dringend anzuraten, auch in „informellen“ Gesprächen mit Mitarbeitern auf jede Art von Drohung mit arbeitsrechtlich unzulässigen Maßnahmen zu verzichten! Davon abgesehen, dass eine „Führungsstrategie“, die auf Angstmachen beruht, auch menschlich abzulehnen ist. (ml) |