Adressrecherchen fördern Kontakte zutage
Von Dr. rer. nat. Jürgen Kaack, STZ-Consulting Group
Für viele Unternehmen ist die Neukundengewinnung ein schwieriges Thema. Nicht wenige geraten in eine Krise, weil es nicht rechtzeitig gelungen ist, sich für das Neukundengeschäft richtig aufzustellen. Dies trifft auch auf viele Mittelständler zu.
Zwar funktioniert es in Zeiten eines ausgeprägten Wirtschaftswachstums in der Regel trotzdem ganz gut, aber sobald der Wettbewerb stärker und globaler oder die Kaufkraft der Zielgruppe schwächer wird, kann ein Unternehmen bis an den Rand der Insolvenz kommen. Generell sind Unternehmen ohne aktive Neukundengewinnung anfälliger für Änderungen im Markt, da der Vertrieb immer ein guter Sensor für aktuelle Trends ist.
Voraussetzungen
Ist das Unternehmen gut aufgestellt für die Neukundengewinnung oder liegt der Fokus des Vertriebs eher beim Aufbau von Kundenbeziehungen und der Umsetzung von Kundenbindungsinstrumenten? Typische Fragen, die sich ein Unternehmer im Zusammenhang mit der Neukundengewinnung stellen sollte, sind die folgenden:
- Stimmt die Vertriebsleistung im Hinblick auf die Kostenstruktur?
- Welche Neukunden sollen akquiriert werden?
- Woher kommen die Adressen potenzieller Neukunden?
- Welche Maßnahmen müssen ergriffen werden, um Neukunden zu gewinnen?
- Muss die Vertriebsorganisation erweitert oder können externe Dienstleister eingesetzt werden?
- Gibt es erfolgversprechende Vertriebskanäle, die noch nicht genutzt werden?
Diese Fragen stellen sich insbesondere dann, wenn die Vertriebsergebnisse nicht zufrieden stellend sind. Der richtigen Zielgruppensegmentierung kommt gerade im Neukundengeschäft eine hohe Bedeutung zu und eine Optimierung wird ohne schlüssige Daten und eine genaue Kenntnis der Zielgruppe meistens nicht erfolgreich sein.
Schwarz auf Weiß
Eine ausführliche Darstellung zum Thema Vertrieb für den Mittelstand gibt Dr. Jürgen Kaack im Ratgeber „Der optimale Vertrieb – Erfolgsfaktor im Wettbewerb“, den Sie online kostenfrei im Pressezentrum des MittelstandsWiki bekommen.
Insbesondere bei der geplanten Ausweitung der Vertriebsaktivitäten auf neue Zielgruppen oder regionale Märkte, ist eine entsprechende Analyse vor Beginn der eigentlichen Vertriebskampagne notwendig. Eine Vertriebsausweitung kostet Geld, bindet Personal und es vergehen bis zu ersten Ergebnissen Wochen bis Monate. Aktionismus führt nur selten zu vernünftigen Ergebnissen, und die Mehrzahl der Unternehmen kann sich bei begrenzten Ressourcen nicht zu viele Fehlversuche leisten.
Zielgruppenpotenziale
Vor oder während der Zielgruppenausweitung sollte sichergestellt sein, dass das in der bisherigen Kernzielgruppe vorhandene Potenzial bereits vollständig ausgeschöpft wird. Wenn zu den Zielgruppen Geschäftskunden gehören, können z.B. Kontaktdaten weiterer Zielgruppenvertreter beschafft werden, die noch nicht zum Kundenkreis gehören. Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten: Eine eigene Recherche über Internet und Telefonbuch kann weiterhelfen und kostet nicht viel; allerdings ist die Effizienz nicht die beste, insbesondere wenn keine Experten für solche Recherchen greifbar sind.
Eine andere Möglichkeit ist der Kauf von Adressdaten aus verfügbaren Datenbanken, wobei diese Verzeichnisse oft den Nachteil mangelnder Aktualität und Qualität haben. Dabei kann es durchaus vorkommen, dass Sie Daten von Unternehmen bekommen, die schon seit zehn Jahren nicht mehr existieren oder verzogen sind. Auch die Qualität der Telefonnummern oder Ansprechpartner ist sehr unterschiedlich. In vielen Fällen wird man aber trotzdem nicht umhinkommen, Adressmaterial von einem der professionellen Anbieter zu erwerben.
Der Handel mit Adressen ist ein attraktives Geschäft, und so gibt es eine Reihe von Anbietern mit entsprechenden, teilweise allerdings sehr teuren Angeboten. Hierzu gehören z.B. Schober, Bertelsmann oder Creditreform; unter Umständen haben auch Branchenverbände verwertbare Informationen. Die Qualität der Einträge ist dabei recht unterschiedlich und hängt von dem Aufwand ab, den der Datenbankanbieter selber in die laufende Aktualisierung und Pflege steckt. Gute Qualität spiegelt sich in der Regel auch im Preis wider.
Dabei gibt es recht unterschiedliche Preismodelle, vom einmaligen Kauf über einen Preis, der sich nach einem Punktesystem nach Anzahl der Zugriffe und der Anzahl der abgefragten Merkmale in der Datenbank richtet (z.B. Adresse, Ansprechpartner, Branche, Mitarbeiterzahl, Umsatz etc.) oder auch Abonnementmodelle mit regelmäßigen Nachlieferungen und Updates. Es lohnt sich auf jeden Fall, mehrere Angebote einzuholen und sie im Detail zu vergleichen.
Auch die verschiedenen Industrieverbände und die Industrie- und Handelskammern (IHK) verfügen über branchenbezogene oder regionale Datenbankinformationen, die sie teilweise Dritten zur Nutzung anbieten. Diese Daten sind meist nicht schlechter als die der anderen Anbieter und teilweise deutlich preisgünstiger. Da die Daten der IHK beispielsweise auf den Angaben der in der Region angemeldeten Unternehmen basieren, sind sie auch relativ aktuell.
Erstansprache
Wenn die Quelle für neue Adressen ausgewählt ist, sollten die Daten aus dem Kundenstamm und die Daten aus dem Vertriebsinformations- oder aus dem CRM-System (Customer Relationship Management) damit abgeglichen werden, so dass sich die noch nicht bearbeiteten Potenziale in den Zielgruppen ergeben. Der nächste Schritt besteht dann in der Festlegung der Methode zur Ansprache, die wiederum stark vom jeweiligen Geschäftsmodell abhängt. Wenn die Produktmarge einen Außendienstbesuch im Direktvertrieb nicht zulässt, müssen andere Wege gesucht werden, z.B. eine zielgruppengerechte Gestaltung der Werbung mit Response-Elementen, die Nutzung des Online-Vertriebs oder ein Telefonverkauf. Obwohl nach dem Verbot der telefonischen Ansprache von Privatpersonen, die keine Kunden sind, auch die telefonische Erstansprache von Geschäftkunden gesetzlich erschwert wurde, bleiben die telefonische Ansprache und der Verkauf am Telefon für bestimmte Produkte die mit Abstand effizienteste Vertriebsform.
Der Weg über Directmailings oder Handzettel ist nur in wenigen Fällen wirtschaftlich attraktiv, da mit der Menge an Werbepost die Gefahr besteht, dass die Werbung den Entscheider entweder gar nicht erreicht oder von ihm nicht wahrgenommen wird. Für diese Form der Werbung eignen sich Produkte, die bei dem potenziellen Käufer entweder einen besonders hohen Produktnutzen, hohe Begehrlichkeit oder einen hohen Innovationsgrad aufweisen. Response-Quoten von mehr als 2 % sind aber auf diesem Wege fast nie zu erreichen.
Telemarketing
Werden Kunden üblicherweise über Außendienstbesuche akquiriert, können die ermittelten neuen Adressen zur Bearbeitung auf die Außendienstmitarbeiter aufteilt werden. In vielen Fällen ist es aber effizienter, wenn die Vertriebsmitarbeiter sich auf die eigentliche Vertriebsarbeit konzentrieren, d.h. Besuche und Präsentationen durchführen, Angebote erstellen und Aufträge verhandeln. Daher kann es sinnvoll sein, über eine externe Telemarketing-Agentur die noch nicht bearbeiteten Kontaktdaten zu überprüfen, den richtigen Ansprechpartner zu ermitteln und die telefonische Erstansprache durchzuführen, mit dem Ziel, einen Termin für einen Außendienstbesuch zu vereinbaren.
Da die Agenten für diese Aufgabe am Telefon speziell geschult sind, zeigen Erfahrungen, dass die Erfolgsquote fast immer über derjenigen von Außendienstmitarbeitern liegt. Während die eigenen Mitarbeiter in den meisten Fällen neben einer variablen Erfolgsprämie ein nicht unerhebliches Festgehalt beziehen, lässt sich mit den meisten Telemarketing-Anbietern eine überwiegend erfolgsabhängige Vergütung vereinbaren. Wenn sich das spezifische Produkt auch für einen direkten Verkauf am Telefon eignet, sollte dies ebenfalls einen Versuch mit einer Telemarketing-Agentur wert sein. Unter Umständen eröffnet sich so ein ergänzender Vertriebskanal.
Obwohl die meisten Vertriebsmitarbeiter effizienter arbeiten, wenn sie sich auf die Phase ab dem ersten Termin konzentrieren, ist es durchaus hilfreich, wenn sie einen Bruchteil ihrer Kontakte nach wie vor selber akquirieren. Dies kann neben der telefonischen Ansprache auch durch eine klassische Kaltakquisition erfolgen, z.B. in Verbindung mit einem Außendiensttermin und zum Ausfüllen von Zeiten zwischen Terminen. Beim beschriebenen Vorgehen zur Beschaffung von Adressmaterial, der Terminvereinbarung über Telemarketing-Dienstleister und dem Versuch des Telefonverkaufs wird in der Regel eine erhebliche Steigerung der Neukundenkontaktquote erreicht. Und wenn auch die anderen Elemente im Vertriebsprozess gut organisiert sind, sollte sich in kurzer Zeit eine Umsatzsteigerung erzielen lassen.
Auch Vertriebsmitarbeiter brauchen von Zeit zu Zeit Weiterbildung und Schulungen. Hierfür gibt es gute Programme auch für Telefontrainings, zur Argumentation und Gesprächsführung sowie zur Steigerung der Abschlussstärke. Das für Vertriebsbegleitungen oder Vertriebscoachings eingesetzte Geld ist in aller Regel gut angelegt, zumindest dann, wenn der Trainer gut ist. Ergänzend wurden auch mit einer Online-Unternehmensberatung bzw. einem Online-Coaching vor einem wichtigen Ersttermin Ergebnisverbesserungen erreicht.
Vertriebskanäle
Vielleicht ergeben sich bei der Prüfung von neuen Vertriebskanälen noch andere Möglichkeiten. In manchen Bereichen gibt es Multiplikatoren oder Beratungsgesellschaften, die Zugang zu wichtigen Zielgruppen haben und das Produkt gegen eine Umsatzprovision mit vermarkten. Multiplikatoren lassen sich am ehesten finden, wenn die Zielgruppensegmentierung stimmig ist und gute Informationen über die Zielgruppenvertreter vorliegen. Über die Zielgruppenanalyse sollten auch Informationen über andere potenzielle Lieferanten oder Geschäftspartner der Zielgruppenvertreter verfügbar sein, unter denen geeignete Kooperationspartner zu finden sind. Neben den Multiplikatoren, die über Kooperationen und Partnermodelle gebunden werden können, gibt es spezialisierte Unternehmen, die zum Ziel haben, den Vertrieb als Outsourcing-Leistung für andere Unternehmen zu übernehmen. Ob sich dieser Weg für das jeweilige Produkt eignet, können Analyse und Praxistest zeigen.
Es ist fast immer richtig, für ein Produkt möglichst viele unterschiedliche Vertriebswege zu testen und mehrere Vertriebskanäle parallel zu nutzen. So lassen sich Performance-Schwankungen in einem Kanal – z.B. durch Personalfluktuation – und Trendverschiebungen am ehesten kompensieren. Es ist aber unabhängig davon sinnvoll, regelmäßig einen Leistungs-, Qualitäts- und Kostenvergleich durchzuführen und die verschiedenen Kanäle optimal auszusteuern.
Für die praktische Durchführung der Qualitätskontrolle kann man neben der Auswertung von eingehenden Reklamationen oder Kündigungen sehr gute Informationen auch über die Kundenzufriedenheitsanalysen mit einer direkten Ansprache der gewonnen Neukunden erhalten, z.B. durch Kundenbefragungen. Eine Kundenwertanalyse nach Vertriebskanälen liefert möglicherweise aufschlussreiche Erkenntnisse. Vor dem Start mit einem neuen Vertriebskanal empfiehlt es sich, einen spezifischen Business Plan aufzustellen (wie man es auch für ein neues Produkt tun sollte). So kann man die Ziele festlegen, die man von dem Vertriebskanal erwartet, die Vorlaufkosten budgetieren und hat ein Instrument, mit dem die Erfolgs- oder Abweichungskontrolle effizienter durchgeführt werden kann.
Fazit: Produktstärke plus Vertriebskraft
Wenn die verschiedenen Ansätze zur Verbesserung der Neukundengewinnung erprobt und genutzt werden (und vielleicht auch weitere, die geeignet erscheinen), dann kann ein Vertriebsproblem mittelfristig in eine Vertriebsstärke gewandelt werden. Dies setzt aber voraus, dass die Bemühungen im Neukundengeschäft nicht nur als kurzfristige Kampagne gegen Abweichungen von Vertriebs- und Unternehmensplanung wahrgenommen werden, sondern als ein ständiger Prozess.
Eine notwendige Voraussetzung ist sicher die Erkenntnis, dass Vertrieb kein notwendiges Übel im Unternehmen ist, sondern eine mindestens gleichwertige und wichtige Kernaufgabe wie Entwicklung oder Produktion. Dies muss sich natürlich auch in der persönlichen Zeitplanung der Geschäftsführung widerspiegeln und darf nicht nur ein Lippenbekenntnis bleiben.
Hier kann man in Deutschland tatsächlich etwas von amerikanischen Unternehmen lernen, die sehr oft den umgekehrten Weg gehen. In den USA überlegt man dann zunächst, welche Kundengruppen man im Vertrieb erreichen kann. Die Frage, welches Produkt und welche Leistungen diesen Kunden verkauft werden, wird dabei fast zur Nebensache. Daher geschehen auch Fehler, wenn Kundenbedürfnisse, Kaufmotivation und Produktnutzen nicht zusammen passen. Die Kombination der deutschen Entwicklungs- und Produktstärke mit der Vertriebskraft amerikanischer Unternehmen wäre vermutlich fast unschlagbar.