Open Source 2014, Teil 1: Was heutzutage mit Open Source läuft

Code ist Geheimsache und Software entsteht in Hochsicherheitstrakten. Es gibt aber Alternativen. Das hat Open Source in den vergangenen 15 Jahren erfolgreich gezeigt. Quelloffene Lösungen sind heute allgegenwärtig, wenn auch oft unsichtbar. SaaS bläst zum Sturm auf die letzten proprietären Bastionen.

Insgeheim läuft es mit Linux

Von Roland Freist

Open Source war immer mehr als nur eine Form der Softwarelizenzierung. Seit Netscape 1998 den Quelltext des Navigators freigab, um der Marktdominanz von Microsoft mit Transparenz und Glaubwürdigkeit zu trotzen, weckt der Begriff immer auch Assoziationen: Es ist wie der Kampf von David gegen Goliath, wenn kleine, mit viel Enthusiasmus arbeitende Softwarehäuser und freie Entwickler gegen die Großen der Branche mit ihren Tausenden von Fachleuten antreten. Und tatsächlich lässt sich sagen, dass sich der Grundgedanke von Open Source, nämlich die Entwicklung einer freien Software mit offengelegtem Programmcode, die beliebig verbreitet, kopiert und genutzt werden darf, am Markt durchgesetzt hat.

Auf Server und Smartphone

Der Erfolg von Open Source geht einher mit vergleichbar gelagerten gesellschaftlichen Strömungen: Die Bürger verlangen heute Transparenz und Offenheit nicht nur von ihrem Staat und seinen Politikern, sondern auch von der Architektur, den Medien und anderen Organisationen. Gleichzeitig hat durch das Internet und die zunehmende Vernetzung der Menschen über die sozialen Medien auch der Gedanke des Teilens von Inhalten und Gegenständen aller Art enorme Popularität gewonnen. Stichworte und Diskussionsthemen wie Open Data, Open Education oder Open Access zeigen, dass Open Source nur der Anfang war.

Auch wenn der Begriff „Open Source“ zum ersten Mal in Verbindung mit einem Browser auftauchte, erfuhr er vor allem mit dem quelloffenen Betriebssystem Linux seine weitere Verbreitung. Ein wenig scheint es so, als sei es um das Betriebssystem mit dem Pinguin-Maskottchen ruhig geworden. Zumindest auf Desktop-Rechnern spielt es praktisch keine Rolle, der Marktanteil liegt bei knapp über 1 %.

Serie: Open Source 2014
Teil 1 fragt sich, wo eigentlich Linux steckt. Die Antwort: In Serverschränken, Smartphones und in jeder Menge Unterhaltungselektronik. Teil 2 schildert anhand der Beispiele Freiburg und München, wie die Umstellung auf OpenOffice und Open-Source-Systeme laufen kann. Teil 3 erklärt, was bei solchen Projekten zu beachten ist. Außerdem wollen wir wissen, wo es quelloffene Software für Unternehmenszwecke gibt.

In Wahrheit geht es Linux heute besser als je zuvor. Dass der Name in den Medien nicht mehr so präsent ist, hat mit zwei Entwicklungen zu tun: Zum einen konnte das Betriebssystem in den vergangenen Jahren vor allem im Servermarkt Erfolge feiern. Dort sind seine Qualitäten unbestritten, der Einsatz löst keine publikumswirksamen Diskussionen mehr aus. Zum anderen segelt Linux oft unter falscher Flagge, und das sogar bevorzugt im Consumer-Bereich. Das weltweit führende Betriebssystem für mobile Geräte, Googles Android, basiert genauso auf Linux wie die Firmware von etlichen Fernsehern, Festnetztelefonen und Digitalkameras.

Offener Code zieht Informatikstudenten

Aber nicht nur bei den Endanwendern, sondern auch bei den Unternehmenskunden hat sich das Open-Source-Betriebssystem durchsetzen können. Für das dritte Quartal 2013 veröffentlichte das Marktforschungsinstitut IDC Zahlen, die Serversysteme mit Linux bei einem Marktanteil von 28 % sehen; das sind 2,5 % mehr als im gleichen Quartal des Vorjahres. Windows-Server liegen bei 50,3 %. Der große Verlierer ist Unix, das es noch auf 11,1 % bringt, rund ein Drittel weniger als im Vergleichsquartal 2012.

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Rüdiger Spies ist Patentanwalt und Independent Vice President Software Markets bei Pierre Audoin Consultants (PAC) in München.

Rüdiger Spies, Analyst bei Pierre Audoin Consultants (PAC), sieht zwei wesentliche Gründe für diese Entwicklung: Ihm zufolge hat vor allem die zunehmende Verbreitung von x86-basierenden Servern in den Unternehmen viele IT-Abteilungen von Unix auf Linux umschwenken lassen. Und die Daten geben ihm recht: Betrachtet man allein die Gruppe der x86-Server, so arbeiten laut IDC rund zwei Drittel mit Windows, ein Drittel setzt auf Linux. Hinzu kommt, das Service längst kein Problem mehr ist: „Open Source konnte sich auch deshalb durchsetzen, da es keine Engpässe beim Fachpersonal mehr gibt. An nahezu allen Universitäten wird heute Linux eingesetzt und von den Studenten gepflegt“, erklärt Spies. So ist eine ganze Generation von Informatikern entstanden, die bereits praktische Erfahrungen mit dem Betriebssystem vorweisen können.

Support bleibt Hauptkostenfaktor

Doch es ergibt ein unvollständiges Bild, wenn man den Erfolg von Linux allein mit der Hardwarebasis und den Vorlieben der Systemadministratoren erklären wollte. Auch wirtschaftliche Überlegungen sprechen in vielen Szenarien für den Einsatz von quelloffenen Systemen – und das, obwohl eine der wichtigsten Erkenntnisse aus dem Einsatz von Open Source lautet: Auch lizenzfreie Programme kosten Geld. Zwar fallen die Lizenzkosten weg, doch Support und Pflege müssen genauso bezahlt werden wie bei einem kommerziellen Produkt.

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Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag erschien zuerst in unserem Magazin zum Open Up Camp 2014. Einen Überblick mit Download-Links zu sämtlichen Einzelheften bekommen Sie online im Pressezentrum des MittelstandsWiki.

Die Abschätzung jedoch, wie hoch die Folgekosten ausfallen werden, ist allerdings ebenso schwierig wie bei lizenzierten Standardprogrammen. Zu unterschiedlich sind die Einsatzszenarien und die äußeren Bedingungen, als dass man die Daten für den Einsatz einer Applikation beim Unternehmen A einfach auf Unternehmen B übertragen könnte. Rüdiger Spies meint jedoch nach seinen Erfahrungen aus der Beratung zahlreicher Unternehmen: „Die Preise für den Support von Linux und von lizenzpflichtigen Systemen sind gleichauf, das macht kaum einen Unterschied. Das Argument, dass Linux höhere Support-Kosten nach sich zieht, würde ich heute nicht mehr gelten lassen.“

Wie die Umstellung auf quelloffene Software auf kommunaler Ebene aussehen kann, zeigen in Teil 2 dieser Serie die beiden – sehr unterschiedlichen – Beispiele von Freiburg und München.
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Roland Freist, Jahrgang 1962, begann nach einem Studium der Kommunikations­­wissenschaft ein Volontariat beim IWT Verlag in Vater­­stetten bei München. Anschließend wechselte er zur Zeitschrift WIN aus dem Vogel Verlag, wo er zum stell­­vertretenden Chef­­redakteur aufstieg. Seit 1999 arbeitet er als freier Autor für Computer­­zeitschriften und PR-Agenturen. Seine Spezial­­gebiete sind Security, Mobile, Internet-Technologien und Netz­­werke, mit Fokus auf Endanwender und KMU.


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