Unternehmensnachfolge im Mittelstand

Ohne geregelte Übergabe droht die Pleite

Von Dr. rer. nat. Jürgen Kaack, STZ-Consulting Group

„Mit 80 Jahren noch an der Spitze des eigenen Unternehmens und keinen Nachfolger gefunden.“ – „5 Jahre mehr gehen wohl noch!“ – „Keiner kennt das Unternehmen so gut wie ich.“ – „Der Nachfolger soll sich erst mal seine Sporen verdienen!“ – Diese und ähnliche Aussagen zeigen, dass die Unternehmensnachfolge ein kritisches Thema ist, das zudem in Deutschland als Tabuthema behandelt wird.

Kein Wunder also, dass selbst wirtschaftlich gesunde mittelständische Unternehmen aufgelöst werden müssen, weil die Unternehmensnachfolge nicht rechtzeitig genug eingeleitet wurde oder Fehler bei der Umsetzung letztlich das Aus bedeuten. Unfall, Krankheit oder Tod stoßen Unternehmen bei fehlender Vorsorge unvermittelt in eine existenzielle Krise.

Das Großereignis der Firmengeschichte

In Deutschland stehen jedes Jahr fast 80.000 Unternehmen vor einer Nachfolgeregelung aus Altersgründen, die meist mehr oder weniger gut umgesetzt wird. Der anstehende Wechsel in der Führung eines mittelständischen Unternehmens stellt einen der großen Einschnitte in der Entwicklung eines Unternehmens dar. Eine neue Führung bringt oft eine neue Unternehmens- und Führungskultur mit sich. Auch die internen Prozesse müssen neu adaptiert werden. Wichtig ist auf jeden Fall die Aufrechterhaltung von Kundenbeziehungen und die weitere Zusammenarbeit mit wichtigen Geschäftspartnern.

Aber auch für den abgebenden Unternehmer bedeuted die Unternehmensnachfolge einen tiefen Einschnitt. Nicht nur die emotionale Seite muss bewältigt werden, auch die vertraglichen Verhältnisse (Gesellschafts-, Ehe-, Miet-, Fremdkapital-Verträge u.a.) müssen neu geregelt werden. Es gibt also eine Reihe von Fallstricken bei der Durchführung. Wenn aber schon der Prozess der Unternehmensnachfolge erhebliche Risiken birgt, so gilt das in noch höherem Maße, wenn dieser Prozess nicht rechtzeitig eingeleitet wird. Aus diesem Grund wird die Regelung der Unternehmensnachfolge als eine der qualitativen Faktoren im Rating-Prozess der Banken (qualitative Ratingfaktoren) berücksichtigt und wird z.B. gemeinsam mit der Qualität des Risikomanagements bewertet. Neben den Risiken bietet eine systematisch durchgeführte Unternehmensnachfolge aber natürlich Chancen für den abgebenden Gesellschafter, den potenziellen Übernehmer und nicht zuletzt für das Unternehmen selber sowie natürlich für die Mitarbeiter, die an einem sicheren Arbeitsplatz interessiert sind.

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Schwarz auf Weiß
Eine ausführliche Darstellung für den Mittelstand gibt Dr. Jürgen Kaack im Ratgeber „Unternehmens­nachfolge erfolgreich planen. Wie man rechtzeitig den richtigen Nachfolger auswählt und die Firma ohne Schaden übergibt“. Das E-Book gibt es zum freien Download im Pressezentrum des MittelstandsWiki.

Die Übernahme eines etablierten Unternehmens birgt insgesamt gesehen niedrigere Risiken als der Aufbau eines völlig neuen Unternehmens, das innerhalb der ersten fünf Jahre eine Phase mit hohem Insolvenzrisiko durchläuft, und stellt somit für den interessierten Unternehmer eine valide Alternative zu einer Unternehmensgründung dar. Da wir in Deutschland mit dem Problem der stetig rückläufigen Zahlen von Unternehmensneugründungen konfrontiert sind, ist es auch unter diesem Aspekt sinnvoll, sich intensiver mit der Nachfolgethematik zu befassen.

Für alle Beteiligten bei einem solchen Prozess ist das ein länger dauerndes Projekt, das rechtzeitig begonnen werden muss. Die Durchführung bedarf einer sorgfältigen und systematischen Vorbereitung, damit das Unternehmen im Verlauf der Übergabe keinen Schaden nimmt und der Unternehmenswert nicht sinkt. Da es sich zudem in der Regel um ein singuläres Ereignis im „Leben“ eines Unternehmens handelt, bei dem die Betroffenen selber meist nicht über eigene Erfahrungen verfügen, ist die Einbeziehung von Spezialisten bei der Vorbereitung und der Begleitung (Coaching im Mittelstand) sinnvoll. Wie immer in der Zusammenarbeit mit externen Beratern gilt aber auch hier, dass der Unternehmer letztlich derjenige ist, der die eigentlichen Entscheidungen selber treffen muss.

Alternativen

Die grundsätzlichen Alternativen für eine Unternehmensnachfolge sind:

  • Familienmitglieder des Inhabers oder Verwandte führen das Geschäft weiter und übernehmen die Anteile.
  • Mitarbeiter aus dem Unternehmen übernehmen das Unternehmen im Rahmen eines MBO (Management Buy-Out), in der Regel unter Hinzuziehung von Fördermitteln und Landesbürgschaften zur Absicherung der Zahlungen.
  • Verkauf des Unternehmens an einen Dritten, der als Unternehmer das übernommene Unternehmen weiterführt.
  • Verkauf an eine Beteiligungsgesellschaft, die das Unternehmen unter Aspekten möglicher Renditen oder eines späteren Exits erwirbt.
  • Verkauf an einen strategischen Partner (Wettbewerber, Kunden, Lieferanten), der entweder an der Technologie, dem Kundenstamm oder den Vertriebswegen interessiert ist. Eine Zusammenlegung von Produktionsstätten, Vertrieb o.Ä. ist häufig die Folge.

Welche der Möglichkeiten die im Einzelfall realistisch umsetzbare bzw. optimale ist, sollte durch sorgfältige Analysen im Vorfeld geprüft werden. Ein Nachfolgeprojekt läuft normalerweise in drei Phasen ab. Vor Beginn des eigentlichen Prozesses muss der bisherige Inhaber zu der Überzeugung gelangen, dass der Zeitpunkt für eine Unternehmensnachfolge richtig ist. Je weiter der Prozess fortschreitet, desto erheblicher können die Folgen eines Scheiterns oder Zurückziehens sein. Der Unternehmer wird in dieser frühen Phase seine Entscheidung bereits mit Personen seines Vertrauens besprechen und erörtern. Die Hinzuziehung von erfahrenen Coaches kann bei der Entscheidungsfindung aus einer neutralen Perspektive helfen.

Phase 1: Vorbereitungsphase

Die Vorarbeiten in Phase 1 erfolgen überwiegend in Form von Analysen der vorhandenen Unterlagen, wie z.B. Jahresabschlüssen, Marktanalysen, Produktübersichten, Unternehmensplanung, aber auch in persönlichen Gesprächen mit den Gesellschaftern und dem Management, um die Zielsetzungen und Randbedingungen für den Verkauf zu klären. Je nach Umfang der vorliegenden Unterlagen werden zusätzliche Analysen durch externe Berater erforderlich. Die Einbindung des Wirtschaftsprüfers bzw. Steuerberaters ist im Hinblick auf die Unternehmenssteuern
ebenfalls sinnvoll.

Als Ergebnis dieser ersten Phase wird ein Prospekt/Gutachten erstellt, in dem für den potenziellen Erwerber das Unternehmen, der Markt und der Wettbewerb beschrieben wird (Verkaufsprospekt für Unternehmensnachfolge). Ergänzend zum eigentlichen Verkaufsprospekt sollte auch ein Business Plan erstellt werden, in dem das Unternehmen qualitativ und quantitativ im Marktumfeld beschrieben wird, sofern dieser nicht bereits vorliegt. Zum Ende der ersten Phase wird eine Empfehlung abgegeben, welche Form der Nachfolge für das betreffende Unternehmen die beste ist, und das weitere Vorgehen festgelegt. Außerdem sollte parallel nach einer für das Unternehmen und den Markt geeigneten Bewertungs-Methode durch den Wirtschaftsprüfer ein Unternehmenswert abgeleitet werden, mit der die späteren Verhandlung mit einem Nachfolger aufgenommen werden kann.

Typischerweise sind bei einem bislang inhabergeführten Unternehmen sowohl organisatorische als auch strukturelle Änderungen erforderlich, um einen Übergang vorzubereiten. Auch zu diesen Erfordernissen werden am Ende von Phase 1 Empfehlungen abgegeben und mit dem Gesellschafter abgestimmt. Dabei sollte auch die Empfehlung enthalten sein, ob der Nachfolger eher eine natürliche Person sein sollte oder ob ein Verkauf an ein anderes Unternehmen sinnvoller ist (Unternehmensverkauf anstatt Nachfolgersuche).

Die Frage der Kaufpreisermittlung und die Strukturierung des Deals hat gerade bei Nachfolgeregelungen besondere Bedeutung, da hierbei die Übergangsphase vom alten auf den neuen Inhaber richtig gestaltet werden muss. Die häufig zu beobachtende Finanzierungszurückhaltung der Hausbanken wirkt erschwerdend, und es ist in vielen Fällen sinnvoll, in der Strukturierung auf Earn-Out-Modelle zu setzen.

Neben einer je nach Kapitalkraft des Erwerbers meist eher niedrigen Anzahlung kann der eigentliche Kaufpreis (Unternehmenswert) in Raten auf Basis eines vorab festgelegten Umsatzanteils aus der weiteren Geschäftsentwicklung über eine definierte Zeitspanne abgegolten werden. Der Umsatzbezug ist dabei sinnvoller als eine Ergebnisabhängigkeit, da so die Diskussion über Investitionen und Mittelverwendung ausgklammert werden kann. Um auch den bisherigen Inhaber zu motivieren, die Übernahme und Überleitung aktiv und konstruktiv zu unterstützen, kann man die Höhe der Umsatzbeteiligung zusätzlich von einem im Übergangszeitrsaum realisierten Wachstum abhängig machen. Zur optimalen Ausgestaltung ist auf jeden Fall die Kenntnis der Finanzierungsalternativen im Mittelstand eine notwendige Voraussetzung.

Es gibt also grundsätzlich eine ganze Reihe Ausgestaltungsmöglichkeiten, die auf die Situation des Unternehmens und der Personen zugeschnitten werden muss. Aus diesem Grund hat die Begleitung einer Nachfolgeregelung häufig einen viel ausgeprägteren Beratungs- bzw. Coachingcharakter als ein „normaler“ Unternehmensverkauf.

Phase 2: Umsetzungsphase

Nach einer Einigung über den geeigneten Weg für die Unternehmensnachfolge beginnt die Umsetzungsphase. Hierzu gehört die Umsetzung der intern erforderlichen Strukturänderungen. Je nach ausgewählter Form wird der potenzielle Übernehmer gesucht und angesprochen.

Im Falle eines Management Buy-Out (MBO) ist eine detaillierte Strukturierung der Transaktion erforderlich. In Abhängigkeit von der finanziellen Situation des oder der Übernahmekandidaten ist die Identifikation von Beteiligungskapitalprogrammen bzw. von öffentlichen Fördermitteln notwendig. Es bietet sich oft an, das Risiko der übernehmenden Manager durch Bürgschaften abzusichern.

Wenn die potenziellen Käufer identifiziert sind und im Falle von Beteiligungsunternehmen oder strategischen Partnern eine erste Ansprache erfolgt ist, beginnt die Phase der Due Diligence und der Vertragsverhandlungen, die von den Beratern strukturiert und begleitet werden kann. Hierbei ist es erforderlich, die gesamten Verträge und Unterlagen des Unternehmens offen zu legen. Da dies einen sehr weitgehenden Einblick in die Lage des Unternehmens gewährt, ist es nicht unüblich, bereits einen Vorvertrag zu schließen. In dem Vorvertrag kann geregelt werden, wie der spätere Kaufvertrag und die Bedindungen für einen Übergang der Gesellschafteranteile erfolgen sollen. Er steht dann noch unter dem Vorbehalt, dass die Due Diligence keine bislang unbekannten Risiken aufdeckt. Normalerweise werden hierfür von beiden Seiten Rechtsanwälte hinzugezogen, die das Vertrauen von Verkäufer und Käufer besitzen. In einem abschließenden Bericht wird das Ergebnis der Prüfung festgehalten und als Grundlage für die Ausgestaltung des Vertrages genommen. Die Phase 2 endet nach der Prüfung und Verhandlung mit dem Abschluss des Beteiligungsvertrages oder einer Aktionärsvereinbarung.

Phase 3: Überleitungsphase

Nach dem erfolgreichen Abschluss der Vertragsverhandlungen erfolgt die Überleitungsphase, die sicherstellen soll, dass der Übergang von dem bisherigen auf den neuen Eigentümer möglichst reibungslos erfolgt. Bei einem MBO ist meistens eine Neuaufstellung der Organisation und ein Coaching der übernehmenden Manager sinnvoll. Bei einem strategischen Partner ist die Zusammenarbeit der Gesellschaften zu regeln, damit sich die gewünschten Synergien umsetzen lassen. Dieser Prozess ist auf jeden Fall in einer strukturierten und geregelten Form durchzuführen, damit verhindert wird, dass der Geschäftsbetrieb und die Kundenbeziehungen in dieser Phase Schaden nehmen.

Für die geregelte Überleitung ist festzulegen, in welcher Form, wann und durch wen die Kommunikation an Mitarbeiter, Geschäftspartner und Kunden erfolgen soll. Auch sind der Übergabeprozess und die Entscheidungswege genau zu vereinbaren. In vielen Fällen macht eine gemeinsame Übergangsphase Sinn, sodass man die Erfahrungen des bisherigen Inhabers nutzen kann, aber auch hierfür ist vorab festzulegen, wer in dieser Phase Entscheidungen treffen darf und wie die Kompetenzen verteilt sind. Idealerweise wird dieser Prozess so gestaltet, dass Unklarheiten für alle Beteiligten vermieden werden. Da hierbei auch persönliche Empfindungen und Bindungen mitspielen, hat es sich bewährt, einen neutralen Moderator einzuschalten, der persönlich nicht mit dem Unternehmen und den Gesellschaftern verbunden ist.

Diese Phase nach Unterzeichnung eines Beteiligungsvertrages ist häufig besonders kritisch für den weiteren Erfolg. Wenn die Strukturierung der Übergangsphase zu lange dauert und bereits Informationen über einen Führungswechsel durchsickern, dann sind Gerüchte und Vermutungen die Folge. Dabei können Ängste von Mitarbeitern und Bedenken von Geschäftspartnern einen nur schwer wieder zu beseitigenden Schaden anrichten.

Fazit: Thema Nachfolge offen angehen

Eine Tatsache, die der schnellen und konsequenten Umsetzung im Wege steht, ist die Tabuisierung des Themas Nachfolge. Diese Einstellung ist immer noch zu beobachten, und nur wenige Unternehmer gehen diese Aufgabe offen, rechtzeitig und systematisch an. Dabei sollte man sich bewusst machen, dass der gesamte Prozess durchaus bis zu einem Jahr in Anspruch nimmt. Ein weiteres Hindernis ist die Zurückhaltung bei der Einschaltung von externen Beratern. Oft werden lediglich die bereits bekannten Berater in Form des eigenen Steuerberaters oder des Rechtsanwalts hinzugezogen, auch wenn diese nur einen Teil des oben beschriebenen Prozesses selber bearbeiten können. Spezialisierte M&A-Berater und Experten in der Projekt- und Prozessgestaltung könnten dabei wesentliche Beiträge leisten.

Die Unternehmensnachfolge stellt nicht nur für das Unternehmen und die Mitarbeiter einen erheblichen Einschnitt in der Entwicklungsgeschichte dar, sondern auch für den abgebenden Unternehmer. Im Rahmen des Prozess sind daher den emotionale Einflussfaktoren bei der Unternehmernachfolge hinreichende Aufmerksamkeit zu widmen. Andernfalls droht trotz sonst stimmiger Ergebnisse ein Scheitern des Nachfolgeprozesses! Für den Alt-Unternehmer ist oft die Frage nach Tätigkeitsalternativen nach dem Unternehmensverkauf von hoher Bedeutung, da sich viele Unternehmer in ihrer aktiven Zeit vollständig auf ihr Unternehmen konzentrieren (müssen) und kaum Zeit für anderen Interessen bleibt.

Die gegenseitige Bereitschaft von Seiten der Käufer und Verkäufer, offen mit dem Thema Nachfolgeregelung umzugehen, muss jedenfalls gefördert werden, damit der volkswirtschaftliche Vorteil aus der Übernahme und Fortführung von bestehenden Unternehmen gewahrt bleibt. Die rechtzeitige Einleitung der Nachfolgeregelung bringt allen Seiten Vorteile und hilft, die Überlebensfähigkeit des Unternehmens zu stärken.

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