1000 Anfragen verzeichnet die Firma Kroll Ontrack jeden Monat von Besitzern streikender Festplatten. Im Zentrallager landen die härtesten Fälle: Brandopfer, elektronische Totalverluste, mechanische Defekte wie zerstörte Lager und gecrashte Leseköpfe. Die Zeit drängt. Denn 93 Prozent der Firmen, deren Server für mehr als zehn Tage ausfällt, gehen innerhalb eines Jahres Konkurs. Aber viele Festplatten sind noch zu retten. Peter Böhret, der Geschäftsführer von Kroll Ontrack ist der Plattenretter von Böblingen. Er hat in einem Interview ein wenig aus dem Nähkästchen geplaudert.
Welche Fälle sind so hoffnungslos, dass auch Kroll Ontrack keine Daten mehr retten kann?
Immer dann, wenn die magnetische Information auf dem Datenträger physikalisch zerstört wurde, können auch wir nichts mehr tun. Diese Sonderfälle sind aber für den Laien schwer festzustellen. Wir bieten deshalb einen Diagnosedienst an. Dieser enthält nicht nur ein „Ja, es gibt was zu retten“ oder „Nein, es geht nicht“. Wir machen eine Liste aller Daten, die wir noch retten können, und übergeben diese an den Auftraggeber. Dann kann er immer noch entscheiden.
Wie löscht man eine Festplatte, damit niemand mehr die Daten auslesen kann?
Hierzu gibt es zwei Verfahren. Wenn die Festplatte in Ordnung ist, wird jeder Sektor mit einer Spezialsoftware, etwa Data Eraser von Kroll Ontrack, mit einem Bitmuster (1 bis 99 Mal) überschrieben. Ist die Festplatte physikalisch beschädigt, hilft nur noch die magnetische Löschung mit einem großen Elektromagneten. Hier wird dann jede Magnetscheibe einzeln gelöscht.
Was sind die häufigsten Schäden oder gibt es Tendenzen?
Ja, gewisse Häufungen sind zu erkennen. Bei den Festplatten in Notebooks sind oft die Lese- und Schreibköpfe defekt, die Firmware im Allgemeinen ist oft beschädigt. Besonders eklatant sind Lagerschäden bei externen USB-Drives. Diese werden, da sie im Dauerbetrieb eingesetzt werden, zu heiß. Hier hat sich die Anzahl dieser Schäden von 2004 auf 2005 mehr als verdoppelt.
Gibt es Modelle, die auffällig oft kaputt gehen?
Es gibt immer wieder Serien, die für manche Schadensbilder anfälliger sind. Da wir aber sehr eng mit den Festplattenherstellern zusammenarbeiten, geben wir hier keine Details bekannt. Diese Zusammenarbeit hat aber auch Vorteile für den Kunden, denn wenn wir eine Festplatte öffnen und dabei das Garantielabel zwangsläufig zerstören, kleben wir nach getaner Arbeit ein neues Siegel auf. Sollte sich die Platte noch innerhalb der Gewährleistung befinden, wird dies von allen Herstellern akzeptiert und die Platte ausgetauscht.
Kommt es vor, dass die Polizei Platten wiederherstellen lässt?
Ja, wir arbeiten regelmäßig für die Polizei oder für die Kripo, denn die jeweiligen Dienststellen haben nicht das entsprechende Know-how und keine Reinraumtechnologie. Da die Dienststellen aber meist nicht über die nötigen finanziellen Mittel verfügen, bekommen sie von uns die reinen Rohdaten. Sie setzen sie dann mit der Spezialsoftware wieder zusammen. Sie sind auf die Ermittlung spezialisiert, wir auf die Datenrettung.
Was kostet denn so eine Aktion?
Das ist von Fall zu Fall verschieden. Die Art der Beschädigung und das verwendete Betriebssystem sind ausschlaggebend. Am günstigsten in der Wiederherstellung sind ATA- oder Serial-ATA-Platten mit Windows XP (nicht Server), hier kann selbst eine 200-GByte-Platte im günstigen Fall bei 1000 Euro liegen. Bei Mac-Festplatten muss schon mit 2000 Euro gerechnet werden.
Was sollte man in keinem Fall bei einem Schadensfall tun?
Besonders gefährlich sind Brand- und Wasserschäden. Da die Festplatten heutzutage nicht mehr luftdicht verschlossen sind, nützt es nichts, eine nasse Festplatte zu trocknen, denn es können sich noch Wassertropfen auf der Oberfläche des Platters befinden. Läuft die Platte dann an, schlägt der Lesekopf auf den Tropfen. Dies ist für ihn wie eine Betonwand und er wird zerstört. Das Gleiche gilt für Rußpartikel. Allgemein gilt, dass die Platte auf keinen Fall geöffnet werden darf, hiermit kann man den Schaden nur vergrößern.