Bisher wurde der Mittelstand eklatant unterschätzt und missachtet. Ein signifikantes Beispiel prangerte vor kurzem Mario Ohoven, der Präsidenten des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft (BVMW) an, als er ironisch anmerkte, dass Politiker gerne die große Entrüstung zelebrieren, wenn ein Großkonzern ein paar tausend Beschäftigte entlassen muss, aber stumm bleiben, wenn im Mittelstand durch ständig steigende Belastungen weitaus mehr Arbeitsplätze gefährdet werden. Dabei beschäftigt der Mittelstand 21 Millionen Arbeitnehmer und damit fast dreiviertel aller Beschäftigten dieses Landes.
Besonders seit den Tagen der New-Economy-Hysterie ist das Ansehen des Mittelstands im Keller. Wer kein „IPO“ inszeniert und eine AG gegründet hatte (fast immer eine potjomkinsche), war in jenen Tagen ein Niemand und hoffnungslos kleinkariert. Als die Blasen dann reihenweise platzten, versäumte es der Mittelstand leider, in die Offensive zu gehen. Das Bild des altmodischen und sich mühsam über Wasser haltenden Kleinbetriebs prägt deshalb nach wie vor die öffentliche Meinung. Dieses triste Bild ist für die Medien weder quoten- noch auflagenträchtig. Folge: kaum Berichte über die Innovationskraft des Mittelstands, obwohl dieser dreiviertel aller Patente hält, kaum Reportagen über die solide Ausbildung in mittelständischen Betrieben, obwohl diese 80 Prozent aller Auszubildenden beschäftigen. Dafür reihenweise Dokumentationen zur Forschung und Ausbildung in Großkonzernen.
Seit wenigen Monaten jedoch greifen – von der wirtschaftlichen Flaute getrieben – sowohl die Politik als auch die Großkonzerne zum Strohhalm Mittelstand. Erstere entdeckt den Mittelstand als Wirtschaftsträger, letztere als Kunden. Nutzen wir diese Chance. „Wer zahlt, schafft an“, sagt der Volksmund. Im Zahlen ist der Mittelstand schon lange Meister, jetzt wird es langsam Zeit, den zweiten Schritt zu wagen. (ml)