Vom notorischen Genörgle Neuheiten-verdrossener Messebesucher abgesehen, ist diese CeBIT wieder ein großer Branchengipfel. Ohne Staus und Parkplatznöte, die es seit der Expo 2000 kaum noch gibt, ist das Abenteuer der vergangenen Jahre geschäftsmäßiger Routine gewichen. Da wundert es wenig, wenn Haare in der Suppe gesucht werden. Dabei hatte auch diese CeBIT wieder viel Neues zu bieten, was nur nicht mehr ganz so leicht wie früher zu finden ist.
Kaum zu sehen war tatsächlich HDTV. Ja, es gab Flachbildschirme in nahezu allen Größen. Aber die hochauflösenden Filmsequenzen kamen einem irgendwie bekannt vor. Man musste schon sehr genau hinschauen, um auffallende Schärfen zu erkennen. Gewohnt professionell wollte es der Heise Verlag ganz genau wissen. Er montierte auf seinem Stand vier Flach-TV, auf denen scheinbar die gleichen Videos abliefen. Die Besucher konnten entscheiden, welcher HDTV-Bilder zeigte. Ich persönlich habe in etwa fünf Minuten keinerlei Unterschiede feststellen können, weshalb ich am begleitenden Gewinnspiel gar nicht erst teilgenommen habe. Das lässt vermuten, dass uns HDTV noch lange Zeit als Problemprodukt verfolgen könnte.
Interessanter war es bei den Notebooks. Sie werden entweder noch kleiner und leichter oder eben noch größer und stärker als gemeine Desktop-PCs. Wenn ein Notebook in die Nähe eines portablen DVD-Players oder gar PDAs rückt, müssen neue Bedienkonzepte her, an dem sich Samsung in Kooperation mit Intel und Microsoft mit seinem Origami versuchte. Das portable Gerät erinnert auf den ersten Blick an einen Tablet-PC mit Windows XP. Anstelle eines Stifts bedient man es jedoch mit beiden Daumen über eingeblendete runde Tastaturausschnitte in der linken und rechten Ecke des Displays. Ansonsten verhält sich das Gerät wie ein ganz normales Notebook mit den üblichen Funktionen.
Handys gibt es inzwischen in derart verschiedenen Formen und Variationen, dass sie fast einer eigenen Messe bedürfen. Auf den ersten Blick sind viele Baureihen der Hersteller kaum noch zu unterscheiden. Erst wenn man sie anfasst, aufklappt oder Videos darauf betrachtet, fühlt man die Besonderheiten. Insgesamt wirkte dieses Produktgenre aber viel zu verspielt, was wohl an den besonders breiten Zielgruppen liegt. Um Anbieter mit wirklich flachen, leichten und soliden Geräten zu finden, die sich mit anderen Programmen als nur Outlook synchronisieren und anstelle von Multimedia-Schnickschnack durchdachte Daten- und Sicherheitsfunktionen bieten, musste man in die ruhigeren Standecken. Hier dürfte langfristig ein Wandel stattfinden. Denn Geschäftskunden brauchen etwas anderes als polyphone All-in-One-Gebührenschlucker.
Starke Impulse setzen Skype, Sipgate und AVM mit kombinierten Konzepten. Skype öffnete sich für geschäftliche Internet-Telefonate, während Sipgate vernetzte TK-Anlagen für kleine und mittlere Betriebe zeigte. Den Vogel schoss AVM mit seinem kompakten VoIP-Handy ab. Das Mehrzweckgerät für Festnetz- und Internet-Telefonie unterstützt Computer mit einem eingebauten DSL-Modem und WLAN-Router. Außerdem makelt es Internet- und DECT-Telefonate in einem. EDV-Berater schwörten bereits auf die Fritz!boxen – wenn das neue Gerät genauso zuverlässig funktioniert, könnte es zusammen mit der Marketingpower von 1&1 für einschlägige Konkurrenten schwierig werden. Kombinierte Konzepte gab es auch von anderen Herstellern, so dass weitere Umwälzungen in der TK-Branche zu erwarten sind.
Unternehmer, Entscheider und Profis schienen sich dieses Jahr besonders für die Sicherheit in ihren Verantwortungsbereichen zu interessieren. Denn diesmal dominierten nicht die typischen Virenjäger und Security-Suiten die entsprechenden Hallen, sondern die Aufklärung über unterschätzte Sicherheitsrisiken und ihre potenziellen Folgen. Ein Thema, um das sich künftig auch der beziehungsweise das Mittelstandsblog verstärkt kümmern wird. Was alles passieren kann und wie und warum sich Anwender – egal ob geschäftlich oder privat – schützen müssen, zeigten auffallend gut besuchte Diskussionsforen an den Ständen des VNU– und Heise Verlags sowie das Mittelstandsforum in Halle 5. Auffallend auch das Interesse an ERP– und CRM-Lösungen, die von Skeptikern bislang eher als amerikanische Geschäftsmethoden mit einem leicht unsittlichen Beigeschmack wahrgenommen wurden. Viele Unternehmen werden sich damit beschäftigen müssen, um konkurrenzfähig zu bleiben.
Weniger die IT-Technik selbst wird zunehmend das Geschehen auf der CeBIT bestimmen, sondern ihre geldwerte Anwendung und geschäftlichen Ausbaumöglichkeiten. Nach 20 Jahren kollektiven Branchenrauschs – 1986 öffnete die CeBIT erstmals ihre Pforten – ist die Messe endlich nüchtern geworden. Und so wie jede am Markt orientierte Veranstaltung wird sie ihren besonderen Reiz als imposante Plattform für die am schnellsten wachsenden und verschmelzenden Branchen der Welt weiter ausbauen. Eine persönliche Blitzumfrage unter CeBIT-Veteranen hat ergeben, dass routinemäßige Besucher kaum etwas zu nörgeln fanden und gestärkt ins neue Geschäftsjahr starten.