In Deutschland gilt der leitende Angestellte oder höhere Beamte mehr als der clevere Self-made-man, lautet das Fazit der Journalistin und Filmemacherin Gundula Englisch. Unternehmertum und Selbstständigkeit genießen zurzeit in Deutschland das geringste Ansehen aller Zeiten. Dies sei die „Konsequenz der kollektiven Unselbstständigkeit, die hierzulande tief im Bewusstsein der Gesellschaft verankert“ sei, schreibt die Journalistin in einem Essay für Change X. „Erfolgreiche Unternehmer gelten als Ausbeuter, Geizhals oder Emporkömmling, und wenn jemand scheitert, ist er sogleich eine verkrachte Existenz".
Obwohl nur elf Prozent der Deutschen selbstständig seien, leiste diese Minderheit Beachtliches. „Gerade die kleinsten dieser Unternehmen haben im vergangenen Jahrzehnt ein Viertel aller neuen Stellen geschaffen, während die Großkonzerne im gleichen Zeitraum 15 Prozent ihrer Arbeitsplätze abgebaut haben“, so die Autorin.
In Deutschland gibt es 50 Lehrstühle für Gründungsforschung. In Lippenbekenntnissen bekräftigen fast alle relevanten gesellschaftlichen Gruppen, wie wichtig Gründergeist und Unternehmertum für das wirtschaftliche Wohlergehen seien. Doch der diesjährige Länderbericht Global Entrepreneurship Monitors zeigt eine andere Realität: Deutschland liegt bei den Gründungschancen, bei der gesellschaftlichen Wertschätzung des Unternehmertums und bei der gründungsbezogenen Ausbildung auf den letzten Rängen. Das internationale Forschungsprojekt vergleicht jedes Jahr 30 Länder hinsichtlich ihres Klimas für Unternehmertum und Selbstständigkeit. (ml)