Ein aufschlussreiches und erstaunlich offenes Interview gab Verdi-Vorstand Gerd Herzberg dem "Tagesspiegel am Sonntag" zum Thema Mitgliederrückgang und Stellenabbau seiner Gewerkschaft. Laut Herzberg hält der Mitgliederschwund bei der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi auch in diesem Jahr an – trotz oder vielleicht sogar wegen der hitzigen Tarifauseinandersetzungen in der ersten Jahreshälfte.
"In diesem Jahr verlieren wir schätzungsweise 2,3 bis 2,6 Prozent der Mitglieder", befürchtet Verdi-Vorstand Gerd Herzberg. "Noch vor zehn Jahren brachte jede Tarifbewegung außergewöhnlich viele neue Mitglieder, das hat sich geändert", trauert er im Interview mit Blick auf die monatelangen Streiks bei den Krankenhäusern den alten Zeiten nach. Immerhin gab es durch den Arbeitskampf "20000 bis 23000 neue Mitglieder", tröstet Herzberg sich und seine Genossen, "doch vor allem in den Unikliniken haben wir nach dem erfolgreichen Tarifabschluss mehr neue Mitglieder erwartet".
Mit besseren Zeiten rechnet Herzberg, der auch Verdi-Finanzchef ist, vorerst nicht: "Bei meinen Haushaltsberechnungen muss ich als seriöser Kaufmann für die nächsten Jahre einen Mitgliederrückgang um zwei Prozent pro Jahr unterstellen." Die wichtigsten Austrittsgründe: der Beitrag sowie Zweifel am Nutzen der Gewerkschaft. Mit Abfindungen und Arbeitszeitverkürzungen versucht Herzberg deshalb, die Gewerkschaftsfinanzen zu retten. "Von mehr als 4200 Vollzeitstellen vor drei Jahren sind wir heute bei 3400 angelangt, aber das wird nicht reichen." Zudem müsse der Aufbau der Gewerkschaft, die vor fünfeinhalb Jahren aus fünf kleineren Organisationen entstand, überholt werden. "Wir haben 16 Fachbereiche und 86 Bezirken, das sollen weniger werden", sagte Herzberg und forderte "Strukturen, die wir auch bezahlen können". (na/ml)
MittelstandsBlog meint: Erstaunlich, wie schnell linke Ideologien ausgedient haben, wenn es um die eigene Zeche geht. (ml)