Während einerseits die deutschen Unternehmen weltweit neben jenen aus Schweden und Kanada das größte Vertrauen genießen, unterstellen in Deutschland 58% der Bürger der Wirtschaft überwiegend negativen Einfluss. Das ist das paradoxe Ergebnis des sehr fundierten „8. Edelman Trust Barometers“, für das weltweit über 3000 Meinungsführer zu Vertrauen und Glaubwürdigkeit von Institutionen, Unternehmen und Medien interviewt wurden.
Die Wirtschaft genießt in allen Regionen der Welt ein höheres Vertrauen als Staat und Medien. Einen besonderen Grund, auf ihre Unternehmer stolz zu sein, hätten die Deutschen: Unternehmen aus Deutschland genießen neben jenen aus Schweden und Kanada weltweit das höchste Vertrauen. Im Gegensatz dazu ist Deutschland aber das einzige Land der Untersuchung, in dem die große Mehrheit (58%) glaubt, die Wirtschaft habe eher einen negativen Einfluss auf die Gesellschaft. Nur ein knappes Drittel (31%) sieht eher positive Auswirkungen.
Ganz anders ist die Einstellung der Bürger in den anderen Ländern: In 13 der 18 untersuchten Ländern halten Meinungsführer die Wirtschaft sogar für vertrauenswürdiger als Regierung und Medien. In 16 Ländern wird der Einfluss der Wirtschaft auf die Gesellschaft von mehr Befragten positiv als negativ beurteilt.
Während das Vertrauen in die Regierungen und staatlichen Institutionen in den meisten Regionen und Ländern so gering ist wie noch nie, stabilisiert sich das Vertrauen in die Wirtschaft. NGOs (Nichtregierungsorganisationen) bleiben in den entwickelten Ländern durchgängig die Institutionen, denen Meinungsführer das meiste Vertrauen entgegenbringen. In drei der vier aufstrebenden BRIC-Länder (Brasilien, Russland, Indien, China) besitzt die Wirtschaft das höchste Vertrauen. Nur in China wird sie von der Regierung übertrumpft.
Heruntergrebrochen auf das Vertrauen in Personengruppen gilt: Die „normalen Mitarbeiter“ und „Menschen wie du und ich“ genießen in Europa und Nordamerika durchweg ein weit höheres Vertrauen als das Topmanagement und offizielle Sprecher der Unternehmen. In Deutschland geben 68% der Befragten an, „Menschen wie du und ich“ seien eine extrem oder sehr glaubwürdige Quelle für Unternehmensinformationen. Von Topmanagern glauben das nur 23%. „Das mangelnde und – speziell in Deutschland – weiter abnehmende Vertrauen in Unternehmen stellt vor allem an die Unternehmensspitze große Herausforderungen in puncto Kommunikation“, betont Cornelia Kunze, Geschäftsführerin von Edelman Deutschland.
Für sehr glaubwürdige Quellen halten in Deutschland für 71 % der Befragten die Wirtschaftsmedien. Auch Fernsehnachrichten (68%) und Radio (67%) genießen hierzulande eine im internationalen Vergleich weit überdurchschnittliche Glaubwürdigkeit.
Vor allem in Deutschland und Schweden zählt das gute Verhältnis eines globalen Unternehmens zu seinen Mitarbeitern zu den wesentlichen Faktoren, die Vertrauen bilden. In beiden Ländern hat rund jeder vierte Befragte (Schweden 23%, Deutschland 26%) dieses Verhältnis sogar als wichtigsten Faktor benannt. Dieser Wert liegt höher als im europäischen und nordamerikanischen Durchschnitt und sehr viel höher als in Lateinamerika und Asien. In allen untersuchten Ländern ist die Qualität von Produkten oder Dienstleistungen die klare Nummer eins unter den Gründen, Vertrauen in ein Unternehmen zu haben.
Weltweit sind Meinungsführer aktiver geworden, wenn sie Unternehmen misstrauen. In Deutschland geben 84% der Befragten an, diese Unternehmen gegenüber anderen zu kritisieren, und zwei von drei (66%) weigern sich, für ein solches Unternehmen zu arbeiten. 27% geben an, sogar gegen ein Unternehmen demonstriert zu haben – 11 Prozentpunkte mehr als vor einem Jahr.
Auch die Nutzung des Internets als Beschwerdemedium, hat gegenüber 2006 um mehr als zehn Prozentpunkte zugenommen: Inzwischen schreiben 23 % der Befragten in Deutschland über ihre Erfahrungen mit Unternehmen im Web. Dennoch sind das weniger als durchschnittlich in Europa (36 %). In allen Ländern außer Japan, Südkorea und China hat diese Nutzung im Vergleich zur Befragung 2006 stark zugenommen.
Für das zum achten Mal von der international agierenden PR-Agentur Edelman erhobene „Trust Barometer“ wurden 3100 Meinungsführer in 18 Ländern jeweils eine halbe Stunde per Telefon interviewt: 400 in den USA, 1.500 in Europa (jeweils 150 in Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien, den Niederlanden, Schweden, Polen, Russland, Irland), 300 in China und jeweils 150 in Kanada, Japan, Brasilien, Mexiko, Indien und Süd-Korea. Als Meinungsführer wurden Personen definiert, die zwischen 35 und 64 Jahre alt sind, einen Hochschulabschluss besitzen, deren jährliches Haushaltseinkommen sich im oberen Viertel ihres Landes befindet und die im politischen, wirtschaftlichen und medialen Bereich engagiert sind. (na/ml)