Von Ideen allein kann man nicht leben. Sie müssen in konkrete Projekte umgesetzt werden. Daran aber hapert es in Deutschland, wie eine aktuelle Studie des Instituts für angewandte Innovationsforschung an der Ruhr-Universität Bochum (IAI) herausgefunden hat. Die Innovationsflops kosten viel Zeit, Geld und Mühe. Umso dramatischer sei es, dass neun von zehn Produktinnovationen scheitern. „Einseitige Technik- statt umfassende Marktorientierung, Over-Engineering, ungeklärte Zuständigkeiten und fehlende Prioritäten verlängern und verteuern die Entwicklung und führen letztlich zum Scheitern eines Großteils der ambitioniert gestarteten Projekte“, so das Resümee der Forscher.
Bei ihrer Befragung von 1200 deutschen Unternehmen des produzierenden Gewerbes fand das IAI heraus, dass viele Unternehmen immer noch einen Großteil ihrer Innovationsressourcen in Projekte stecken, die nie zur Marktreife gelangen oder sich bald nach ihrer Einführung als Flop erweisen. Gleichzeitig hätten es die wirklich innovativen Ideen oft schwer, nicht schon in frühen Entwicklungsstadien im Keim erstickt zu werden. „Es fehlt bei uns an echten Brückenbauern zwischen Wissenschaft und Wirtschaft“, analysiert Tobias Janßen von der Beteiligungs- und Beratungsgesellschaft Goldfish Holdings in Neuss.
„Dafür, dass die deutschen Unternehmen in der Rangliste der Patentanmeldungen nach wie vor in der Spitzengruppe sind, kann man sich nicht viel kaufen. Die Zahl der Patente steigt in Deutschland schneller als die Aufwendungen für Forschung und Entwicklung. Sie werden heute eher eingesetzt, um Wettbewerbsrisiken und Forschungsinvestitionen zu minimieren. Immer mehr juristische Feldschlachten über angebliche Patentverletzungen machen die Anwälte dabei zu den wichtigsten Akteuren und sichern ihren Auftraggebern satte Einnahmen. Marktfähige Produkte werden so eher behindert. Wir brauchen mehr ‚Trüffelschweine‘, die den richtigen Riecher für gute Ideen haben und diese dann zur Marktreife bringen. Wir brauchen auch mehr Toleranz für Irrtümer und Abweichungen von den erwarteten Ergebnissen“, sagt Janßen. Es seien sind Leute vonnöten, die eine Art Scharnierfunktion zwischen den beiden Bereichen übernehmen.
Die IAI-Studie dokumentiert dies mit Zahlen: Nur etwa 13% aller Neuproduktvorschläge erreichen das Stadium der Markteinführung und von den neu am Markt lancierten Produkten können wiederum nur rund 50% die in sie gesetzten Erwartungen in Teilen erfüllen. Von den offiziell vorangetriebenen Ideen wird nur rund jede sechzehnte ein kommerzieller Erfolg. Die Autoren der Studien bescheinigen den Unternehmen gravierende Schwächen bei der Beurteilung ihrer Innovationsideen. 53% der Befragten beklagen, dass den Entscheidungsträgern die Zeit fehle, sich überhaupt mit den kreativen Ideen ihrer Mitarbeiter zu beschäftigen. Rund 60% sehen Defizite bei der Informationsgewinnung und Marktaufklärung. Und von 42% wird beanstandet, dass die Chancen einer Innovation eher unter-, die Risiken aber tendenziell überbewertet würden.
„Dies unterscheidet Deutschland von den Vereinigten Staaten“, so Janßen, der seine berufliche Karriere in den USA gestartet hat: „Ohne Mut zum Risiko kann es keine guten Geschäfte geben. In den Vereinigten Staaten denkt man generell unternehmerischer. Der Elfenbeinturm ist dort nicht das bevorzugte Quartier für Wissenschaftler und Unternehmer. Mit mehr Wagemut können auch mehr Ideen erfolgreich umgesetzt werden. Hier bewahrheitet sich die schlichte Weisheit: No risk, no fun.“ (na/ml)