Ältere Mitarbeiter werden nicht nur durch die neue Rentengrenze, sondern auch durch den Mangel an Fachkräften aus jüngeren Jahrgängen in den Unternehmen zunehmen. Viele Unternehmen befürchten damit verbundene Leistungseinbußen und Belastungen. Eine entsprechende wissenschaftliche Untersuchung durch die Arbeitsforscherin Dr. Anja Gerlmaier vom Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen relativiert einige der Vorurteile.
Zwar verursachen heute die über 45-jährigen mehr als die Hälfte aller Arbeitsunfähigkeitstage, obwohl sie nur ein Drittel der Beschäftigten stellen. Der Erhalt und die Weiterentwicklung der Arbeitsfähigkeit von Mitarbeitern sei aber ein zentraler Erfolgsfaktor für Zukunftsfähigkeit von Unternehmen.“, stellt die Arbeitsforscherin nüchtern fest.
Im Jahr 2020 werden bereits über 13% der Mitarbeiter in deutschen Betrieben zwischen 50 und 65 Jahre alt sein, vor sieben Jahren waren es noch 9,4 Prozent. Wegen Krankheit oder Behinderung geht jeder Fünfte vorzeitig in Rente. „Schonarbeitsplätze“ für Ältere seien aber keineswegs die Lösung, so die Forscherin. Notwendig sei vielmehr eine generationenübergreifende Personalpolitik, die sich am Bedarf und den besonderen Problemsituationen der Mitarbeiter in verschiedenen Lebensphasen orientiert. „Wir brauchen eine alterns- statt altersgerechte Arbeitsgestaltung, denn Gefährdungsschwerpunkte können sich schon in den mittleren Altersgruppen häufen.“, warnt Gerlmaier.
Wichtig sei, dass betriebliche Personalpolitik vorbeugend ansetzt, etwa mit geeigneter Personaleinsatzplanung wie Rotation, Positionswechsel oder altersgemischten Teams sowie betrieblicher Gesundheitsförderung: angefangen beim Gesundheitszirkel bis hin zum Stressmanagement, altersgerechter Technikgestaltung am Arbeitsplatz, Vorsorge und Gefährdungsanalyse. 30% bis 40% der Erkrankungen wären durch Vorbeugung verhinderbar, stellt die Wissenschaftlerin fest.
Zu den Gefährdungsschwerpunkten zählen zum Beispiel: psychische Belastungen bei der Arbeit, insbesondere Arbeitstempo, Termindruck und Komplexität der Tätigkeiten, die in den letzten Jahren enorm zugenommen haben. So haben sich etwa innerhalb von 15 Jahren die psychischen Erkrankungen bei den berufstätigen Frauen vervierfacht (von acht auf 32%) und nehmen damit inzwischen Spitzenpositionen unter den Erkrankungen ein, die zu einer Frühverrentung führen.
Stark rückläufig in diesem Bereich sind hingegen die Herz- und Kreislauferkrankungen. Verschiedene Tätigkeiten stufen die IAQ-Arbeitsforscher als besonders alterskritisch ein: etwa körperlich belastende, monotone Arbeit im Verkauf, Tätigkeiten mit hoher Kundenabhängigkeit, Flexibilitätsanforderungen und Arbeitsintensität in verschiedenen Handwerksberufen, sozio-emotionale Belastungen bei Kranken- und Pflegekräften oder Lehrern, wissensintensive Tätigkeiten mit hoher Konzentration, Arbeitsintensität und unzureichender Erholung in der Software-Entwicklung, in Marketing- und Medienberufen.
Wie Untersuchungen des IAQ in einem stahlverarbeitenden Unternehmen zeigen, müssen die über 50-Jährigen nicht mehr körperliche Beschwerden als jüngere Kollegen haben. Ältere unterlagen dort weniger Belastungen und wiesen ein deutlich besseres Gesundheitsverhalten als Jüngere auf. Verantwortlich dafür sei häufig eine Arbeitspolitik in den Unternehmen, die Belastungen nicht vermindert, sondern auf Jüngere abwälzt. So werden körperlicher Verschleiß und Einschränkungen bei Älteren zu 80 Prozent im Erwerbsleben durch Übungsverluste verursacht, nicht durch biologische Alterungsprozesse. „Eine rein kurative Personalpolitik mit Schonarbeitsplätzen für Ältere greift zu kurz“, meint Anja Gerlmaier. (iwd/ml)
MittelstandsWiki meint: Nachdem sich der Fachkräftemangel als immer gravierenderes Problem gerade im Mittelstand erweist und eine der wenigen, im nationalen Rahmen gangbaren realistischen Lösungen in der Reaktivierung älterer Fachkräfte liegt, werden wir dem Thema 50plus aus Unternehmenssicht verstärkte Aufmerksamkeit widmen. (ml)