Neuere Studien des Berliner Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie (FiBS) warnen vor einer sich verschlechternden beruflichen Bildungssituation, die auch auf die Innovationskraft der deutschen Wirtschaft durchschlage. Die nachwachsenden Generationen in Deutschland zeigen laut Studien im internationalen Vergleich wenig Dynamik, sich höher zu qualifizieren. Während die Frauen immerhin ihr Bildungsniveau erhöhen – wenn auch schwächer als im internationalen Vergleich – zeigen sich bei den Männern deutliche Dequalifizierungstendenzen.
Im Vergleich einer Gruppe von 20 OECD-Ländern sind laut Studien Deutschlands Potenziale für wirtschaftliches Wachstum zunehmend begrenzt, da sich der Bildungsstand der Bevölkerung hier ungünstiger entwickle als in anderen Ländern. Die Studien fanden im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) statt.
Wie entscheidend ein qualitativ und quantitativ hoch entwickeltes Bildungssystem für die technologische und damit wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Landes ist, lässt sich leicht nachvollziehen. Je günstiger die Voraussetzungen in den Bereichen der oberen Sekundarbildung, der Meister– und Technikerausbildung sowie akademischer Aus- und Weiterbildung sind, desto höhere Kompetenzen stehen für wissensintensive Innovationsprozesse zur Verfügung. Höhere Qualifikationen wie Universitäts- und Fachhochschulabschlüsse oder auch Meister- und Techniker-Abschlüsse sind daher notwendig. Zudem müssen gering Qualifizierte im Bildungssystem stärker gefördert werden, wenn der demografisch bedingte Fachkräftemangel aufgefangen werden soll.
Deutschland schneidet den Untersuchungsergebnissen entsprechend in allen relevanten Bildungsbereichen im internationalen Vergleich unterdurchschnittlich ab. Deshalb hat sich seine relative Position deutlich verschlechtert Die Studien zeigen auch, dass die hohen Qualifikationen von Meistern und Technikern sowie Erwerbstätigen mit vergleichbaren Abschlüssen für die Entwicklung neuer Patente sehr wichtig sind. Während in fast allen anderen Ländern der Anteil der Bevölkerung mit derartigen Abschlüssen zum Teil deutlich gestiegen ist, zeigt sich in Deutschland insbesondere bei jungen Männern ein deutlicher Rückgang. Um das Niveau älterer Altersgruppen wieder zu erreichen, müsste der Anteil von derzeit 8% des Altersjahrgangs um fünf Prozentpunkte erhöht werden, damit der Anteil früherer Jahrgänge von 13% wieder erreicht wird. Leider fällt hier die Bildungsschwäche der Männer besonders ins Gewicht, da die ingenieurwissenschaftlichen und technischen Fächer immer noch eine männliche Domäne sind.
Der Anteil der Bevölkerung mit einem oberen Sekundarabschluss ist in den letzten Jahrzehnten kaum gestiegen. Die 55- bis 64-Jährigen, die in den nächsten Jahren ihr Erwerbsleben beenden, nehmen noch den zweiten Rang unter den 20 betrachteten OECD-Ländern ein: Knapp 80% von ihnen haben eine Berufsausbildung absolviert oder verfügen über die Hochschul- oder Fachhochschulreife. In der Gruppe der 25- bis 34-Jährigen ist der Anteil mit 85% zwar etwas höher, doch entspricht dies international nur noch Rang 11. Länder wie Korea, Japan und Norwegen haben Deutschland inzwischen deutlich überholt und weisen Anteile von weit über 90% auf.
Außerdem ist Deutschlands Akademikerquote, die schon seit einigen Jahrzehnten im Vergleich eher niedrig ist, in der Gruppe der 25- bis 34-Jährigen kaum höher als in der Gruppe der 55- bis 64-Jährigen. In fast alle anderen Ländern hat sich diese Quote in den letzten Jahren hingegen deutlich erhöht. Dadurch nimmt Deutschland unter den Ländern nur noch den vorletzten Platz ein. Eine grundlegende Trendwende ist nicht zu erkennen. Vielmehr ist die Studienanfängerquote in den vergangenen Jahren sogar leicht gesunken.
Die zugrunde liegenden Studien (Höherqualifizierungs- und Bildungsstrategien anderer Länder und Deutschlands Bildungssystem im internationalen Vergleich vor dem Hintergrund der technologischen Leistungsfähigkeit Deutschlands) können kostenlos im Internet bezogen werden. (idw/ml)