Wenn Chefs großer Unternehmen in der Öffentlichkeit auftreten, sind im Hintergrund PR-Profis am Werk: Mehr als die Hälfte der Vorstandsvorsitzenden folgen einem speziellen Kommunikationsplan, um bei Kunden und Mitarbeitern, Medien und Investoren zu überzeugen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie über Chef-Kommunikation der Fachhochschule Mainz.
Im Rahmen der von Prof. Dr. Lothar Rolke, der in Mainz Betriebswirtschaftslehre und Unternehmenskommunikation lehrt, betreuten Studie wurden die 500 größten Unternehmen in Deutschland befragt.
Mit der durchgeplanten Chefkommunikation verfolgen die Unternehmen vor allem das Ziel, „positive Abstrahleffekte für das Unternehmen“ zu erzeugen und „Themen zu besetzen“, über die sich die Firma profilieren kann. Ein „eigenes Chefimage aufzubauen“ und die „Bekanntheit der Nr. 1“ zu steigern, folgen erst auf Platz drei und vier. Visionslose Schweiger haben dabei auf Dauer ebenso wenig ein Chance, Image aufzubauen und damit Orientierung zu geben, wie Medienaktionisten, die konzeptlos ihre Botschaften hinausposaunen.
Laut Studie wissen die großen Unternehmen heute sehr genau, dass neben den Produkten und Dienstleistungen vor allem die Vertrauenswürdigkeit der Führung, die Medienberichterstattung und der Bekanntheitsgrad ihr Image beeinflussen, und zwar stärker als der tatsächliche Geschäftsverlauf, den die meisten Menschen kaum beurteilen können.
Eine immer stärkere Rolle spielt dabei nach Rolke der Vorstandsvorsitzende bzw. Vorsitzende der Geschäftsführung. Denn die würden heute in fast 20% aller Artikel über das Unternehmen namentlich erwähnt. Vor fünf Jahren lag diese Quote noch bei 10%. „Insofern ist es folgerichtig, dass sich die Kommunikationsabteilungen intensiv um das Bild der Nummer 1 des Unternehmens kümmern und dafür fast 20% ihrer Zeit einsetzen“, erklärt Rolke: „Die Menschen wollen nun mal die Gesichter der Wirtschaft sehen.“ Über 90% der Kommunikations-Chefs sind davon überzeugt, dass die öffentliche Akzeptanz des Vorstandsvorsitzenden durch die Medienberichterstattung bestimmt wird.
Rund ein Fünftel seiner Arbeitszeit setzt der Unternehmens-Chef selbst für Kommunikation ein – vor allem mit Führungskräften und Mitarbeitern (40%). Die Kommunikation mit der Öffentlichkeit (20%) erscheint den Chefs dabei als genauso wichtig wie die mit den Kunden (19%) und sogar noch etwas wichtiger als die mit den Investoren (17%). Längst wissen sie, dass ihr Ruf das Unternehmensimage sehr stark und die Medienberichterstattung stark beeinflusst. Deutlich geringer ist nach Einschätzung der unternehmensinternen Kommunikationsprofis der direkte Einfluss auf die Mitarbeitermotivation und das Kaufverhalten der Kunden. Nach Berechnungen von Professor Rolke beeinflussen sich Chef- und Unternehmensimage bis zu fast 70%. Gefährlich werde es laut Rolke immer dann, wenn beides auseinander driftet: „Eine zu schwache Führung lässt genauso am künftigen Erfolg zweifeln wie eine von den Unternehmensinteressen entkoppelte Selbstprofilierung“.
Unter den Eigenschaften, die für einen erfolgreichen Unternehmens-Chef als unabdingbar gelten, rangieren Gewinnorientierung und Fachwissen nur auf mittleren Plätzen. Sehr viel wichtiger sind dagegen Überzeugungskraft, Vertrauenswürdigkeit und Durchsetzungsvermögen. „Gerade in kritischen Situationen wollen Menschen verstehen, warum etwas passiert und nicht mit Managementfloskeln abgespeist werden“, so Rolke weiter. Wirtschaft betreffe jeden, aber nicht jeder verstehe, was ihn da warum treffe. Das erzeuge ein grundsätzliches Misstrauen, dem sich die Unternehmen mit ihrer Kommunikation stellen müssten.
Für die Chef-Kommunikation an Bedeutung weiterhin zunehmen werden laut Studie Internet (79%), Mobile Dienste (65%), Pressearbeit (59%) Weblog des Unternehmens-Chefs (37%) und Events (21%t). Auch Mitarbeiterzeitschriften (16%) und Kundenmagazine (3%) können noch mit einem Wachstum rechnen. Verlieren hingegen werden der Geschäftsbericht (minus 8%), Fernseh- und Radiospots (minus 19%), Anzeigenwerbung (minus 37%) und Wurfsendungen (minus 77%). (idw/ml)
MittelstandsWiki meint: Warum berichten wir über eine Studie zu Großunternehmen? Nun, wir sind sicher, dass diese Entwicklungen nicht nur große Unternehmen betreffen. Gerade der Mittelstand hat im Wettbewerb mit „Gesichtern“ besonders gute Karten, denn mittelständische Unternehmer stehen im Bewusstsein der Öffentlichkeit noch viel mehr für „ihr“ Unternehmen. Allerdings: Nur wer an die Öffentlichkeit geht, wird auch gesehen! (ml) |