Die Entscheidung, Teile der Produktion in Niedriglohnländer zu verlagern, fällt in mittelständischen Unternehmen oft nicht auf der Basis systematischer Bewertungsmethoden, behauptet eine von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung geförderte Studie am Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) für die Automobilzuliefererbranche. Ein neues, softwaregestütztes Bewertungsinstrument liefere jetzt die Voraussetzung dafür, solche Defizite bei Standortentscheidungen abzustellen, verspricht die Stiftung.
Viele der vom Fraunhofer ISI untersuchten Unternehmen unterschätzten die Schwierigkeiten und Kosten an Niedriglohnstandorten drastisch, während deutsche Standorte oft in Vergleichsrechnungen nicht als Alternative einbezogen wurden. „Es überwiegen sehr pragmatische, teilweise hemdsärmelige Ansätze, mit denen ein Favorit anhand relativ weniger Kriterien ausgewählt wird“, so die Karlsruher Fraunhofer-Forscher Dr. Steffen Kinkel und Christoph Zanker.
Mit Förderung der Hans-Böckler-Stiftung wurde vom Fraunhofer ISI auch eine auf Excel aufbauende Anwendung entwickelt, mit der Standortentscheidungen nach Meinung der Fraunhofer-Wissenschaftler objektiver getroffen werden können. Es ist sowohl für Betriebsräte als auch für Unternehmensleitungen von Automobilzulieferern oder Berater interessant. Das Werkzeug kombiniert mehrere methodische Ansätze wie Kostenstrukturvergleich, Investitionsrechnung und Nutzwertanalyse. Damit lassen sich fundierte und zukunftsorientierte Vergleiche für verschiedene Standorte durchrechnen. Optimierungspotenziale an bestehenden Standorten werden systematisch einbezogen. Das Tool liefert verschiedene Szenarien – von pessimistisch über realistisch bis optimistisch.
Betriebsräte erhalten das neue Softwaretool beim Fraunhofer ISI kostenlos. Unternehmen bietet das Karlsruher Institut ein Komplettangebot rund um das Tool zur Unterstützung bei der anstehenden Standortvergleichsrechnung.
Interessenten können sich an Dr. Steffen Kinkel vom Fraunhofer-Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung (ISI) wenden. Die E-Mailadresse lautet: steffen.kinkel@isi.fraunhofer.de. (idw/ml)
MittelstandsWiki meint: Auch wenn viele Initiativen der DGB-nahen Hans-Böckler-Stiftung aus Unternehmersicht mit Vorsicht zu genießen sind – dieses Angebot ist aus unserer Sicht dennoch einen Blick wert. Die Macher der Studie und der Software, die Wissenschaftler des Fraunhofer ISI genießen einen ausgezeichneten Ruf und sind für ihre seriöse Arbeit bekannt. Dass so manche Standortverlagerung mittelständischer Unternehmen sich im Nachhinein als wirtschaftlicher Fehlgriff erwies, ist zudem auch im Mittelstand kein Geheimnis. (ml) |