Der für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat ein interessantes Urteil (vom 20.9.2007 – I ZR 88/05Werbeanruf bei einem Gewerbebetrieb gefällt. Im konkreten Fall hakte der Betreiber eines Unternehmensverzeichnisses im Internet per Telefon bei einem Gewerbebetrieb nach, der in seinem Verzeichnis einen kostenlosen Basiseintrag vorgenommen hatte. Zweck des Anrufs war, den Basiseintrag in einen kostenpflichtigen Eintrag umzuwandeln.
Der Betreiber des Verzeichnisses ging nach seinem Bekunden davon aus, dass der Basiseintrag eine bestehenden Geschäftsverbindung darstelle, die ihn zum Anruf berechtigte.
Der Kläger, ein Wettbewerber des Betreibers des Unternehmensverzeichnisses, hat diesen Anruf als unzumutbare Belästigung (§ 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG) beanstandet. Der Beklagte habe trotz des vorhandenen Suchmaschineneintrags nicht davon ausgehen können, dass das Unternehmen mit dem Anruf einverstanden sei. Dieser hat demgegenüber die Ansicht vertreten, er sei aufgrund der bestehenden Geschäftsverbindung zu dem Anruf berechtigt gewesen. Der Anruf habe zudem vor allem dazu dienen sollen, die über das Unternehmen gespeicherten Daten zu überprüfen.
Das Landgericht hat die Klage in erster Instanz abgewiesen. Das daraufhin vom Kläger angerufene Berufungsgericht hat den Beklagten jedoch zur Unterlassung verurteilt.
Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Beklagten blieb ohne Erfolg. Der Bundesgerichtshof hat nun die Rechtsprechung des Berufungsgerichts bekräftigt, dass Werbeanrufe bei Unternehmen wettbewerbswidrig sein können, weil sie zu belästigenden oder sonst unerwünschten Störungen der beruflichen Tätigkeit des Angerufenen führen können.
Anders als Anrufe bei Privatpersonen sei ein Werbeanruf im geschäftlichen Bereich allerdings bereits dann zulässig, wenn aufgrund konkreter Umstände ein sachliches Interesse des Anzurufenden daran zu vermuten sei.
Dies sei bei dem beanstandeten Anruf jedoch nicht der Fall gewesen. Der kostenlose Eintrag des Unternehmens in der Suchmaschine habe den Beklagten zwar möglicherweise zu der Annahme berechtigt, das Unternehmen sei mit einem Anruf zur Überprüfung der eingespeicherten Daten einverstanden. Eine Telefonwerbung, um zugleich das Angebot einer entgeltlichen Leistung zu unterbreiten, sei aber nach den gegebenen Umständen für den Anzurufenden unzumutbar belästigend gewesen.
Die genaue Begründung zeigt allerdings auch, dass das Urteil sehr stark auf den konkreten Fall abstellt: Der Beklagte habe nicht mit einem besonderen Interesse des Unternehmens rechnen können, gerade im Verzeichnis der – nicht besonders bekannten – Suchmaschine gegen Vergütung mit einem erweiterten Eintrag aufgeführt zu sein. Ein kostenloser Eintrag über das Unternehmen sei in gleicher Weise wie beim Beklagten bei weiteren 450 Suchmaschinen gespeichert gewesen. Angesichts der großen Zahl gleichartiger Suchmaschinen und der Verbreitung kostenloser Unternehmenseinträge in den Verzeichnissen von Suchmaschinen hätte der Beklagte vor einem Anruf berücksichtigen müssen, dass für einen Gewerbetreibenden die Gefahr bestehe, in seinem Geschäftsbetrieb durch eine Vielzahl ähnlicher Telefonanrufe empfindlich gestört zu werden. (Bundesgerichtshof/ml)
MittelstandsWiki meint: Das Urteil dürfte zwar eher zu einer weiteren Verunsicherung als zu einer klaren Leitlinie im Bereich Telefonwerbung beitragen. In jedem Fall aber stellen die Richter damit klar, dass nicht automatisch jeder Werbeanruf bei Gewerbebetrieben erlaubt ist – ein Irrtum, der leider weit verbreitet ist. (ml) |