Um Synergien bei der Abwicklung von Reparaturaufträgen zu nutzen, bieten namhafte Hersteller der Unterhaltungselektronik gemeinsam das Internet-Portal InfoTip-RTS an, obwohl sie auf dem Markt klassische Wettbewerber sind. Von der gemeinsamen Plattform sollen alle Beteiligten profitieren, Hersteller, Fachhändler, Logistiker, Werkstätten und nicht zuletzt der Endkunde. „Wir konnten mit der Plattform einige Schwarze Löcher im Reparaturprozess stopfen. Die Laufzeit eines Auftrages ist jetzt um mehrere Tage kürzer“, so Theo Ubbens, Geschäftsführer der InfoTip Service GmbH, Betreiber des Portals, gegenüber dem MittelstandsWiki.
Herr Ubbens, Sie betreiben unter anderem ein Portal für Reparaturdienstleistungen und haben kürzlich an dem Kongress Open Source Meets Business teilgenommen. Was haben denn Reparaturdienstleistungen mit Open Source zu tun?
Theo Ubbens: Eines unserer Portale, InfoTip-RTS, wurde mit Hilfe von Open Source entwickelt. Unter anderem kam dabei Zope als Web Application Server zum Einsatz. Die Entwicklungszeit für das Repair-Tracking-Service-Portal (RTS) konnten wir durch die Verwendung der Skriptsprache Python deutlich verkürzen. Und als relationale Datenbank hat sich PostgreSQL bei uns bewährt.
Die Hersteller, die an dem Repair-Tracking-Service teilnehmen, sind doch eigentlich Wettbewerber. Warum haben sie sich dennoch dazu entschlossen, ein gemeinsames Reparaturdienst-Portal anzubieten?
Theo Ubbens: Bei der Abwicklung von Reparaturaufträgen steht nicht der Wettbewerbsgedanke im Vordergrund. Vielmehr haben die teilnehmenden Hersteller, die auch Gesellschafter der InfoTip Service GmbH sind, festgestellt, dass ein gemeinsames Portal Synergien bringt. Zum einen müssen die Fachhändler, die die Geräte zur Reparatur vom Endkunden entgegen nehmen, nicht für jeden Hersteller eine eigene Anwendung bedienen. Das wäre sehr aufwendig und würde kaum auf Akzeptanz stoßen, zumal die Händler an den Reparaturfällen ja kaum etwas verdienen. Auf der anderen Seite ist ein gemeinsames Portal für die Hersteller wesentlich günstiger im Betrieb. Aber nicht jeder Hersteller aus der Unterhaltungselektronik geht diesen gemeinsamen Weg. Einige haben auch ihr eigenes Reparaturportal.
Wie viele Hersteller machen bei Ihrem Portal bislang mit?
Theo Ubbens: Das kommt auf das Portal an. Wenn wir einmal das RTS-Portal nehmen, das mit Open Source entwickelt wurde, dann sprechen wir aktuell von zehn namhaften Herstellern. Weitere werden folgen. Wir betreiben jedoch auch das Portal InfoTip-ISS, das im Gegensatz zu RTS nicht den Fall der zentralen Serviceleistungen abbildet, bei denen der Händler in der Regel das Gerät einschickt. Bei InfoTip-ISS geht es vielmehr um die dezentrale Reparaturabwicklung, wenn also der Händler eine eigene Werkstatt betreibt oder eine regionale Werkstatt nutzt. Bei diesem Portal sind bereits 25 Hersteller mit dabei. Noch mehr, nämlich 50 Hersteller, sind es bei der Produktdatenbank InfoTip-PDB. Unser Ziel ist es, mit RTS auch eine entsprechende Teilnehmerzahl auf Herstellerseite zu erreichen. Zusätzlich findet noch eine Internationalisierung statt. Das Portal zur Nachverfolgung von Reparaturaufträgen RTS gibt s bereits in zwölf Sprachen und verschiedenen Länderversionen.
Wie läuft denn ein Reparaturauftrag mit dem Repair Tracking System ab?
Theo Ubbens: Der Endkunde bringt ein Gerät zur Reparatur in den Fachhandel. Dort hört man ja immer öfter: „Das müssen wir einschicken.“ Um genau diese Fälle geht es bei RTS. Der Fachhändler meldet sich auf dem Webportal RTS an und sucht den entsprechenden Hersteller und das Produkt. Das RTS-System kennt aufgrund hinterlegter Routing-Regeln den richtigen Logistikpartner und die zuständige Werkstatt. Der Händler kann aus dem System den Versandaufkleber ausdrucken, am nächsten Morgen wird das Gerät bei dem Händler abgeholt. Die Werkstatt bekommt ein Avis, das ein entsprechendes Gerät eintreffen wird.
Alle notwendigen Daten kommen in elektronischer Form. Dadurch kann einiges an Aufwand und Zeit eingespart und eine Fehllieferung vermieden werden. RTS kann dem Händler auch sagen, wenn ein bestimmtes Produkt direkt ersetzt werden soll und eine Reparatur keinen Sinn macht. So bekommt der Endkunde gleich Ersatz.
Welche Vorteile sehen Sie für die Hersteller?
Theo Ubbens: Für die Hersteller ist es neben der Zeit- und Kostenersparnis die neue Transparenz der Werkstätten. In dem Reparaturprozess gab es Schwarze Löcher. So konnten zwischen der Übergabe des Gerätes, die der Logistiker gemeldet hatte, und der Annahme auf Seiten der Werkstatt durchaus mehrere Tage liegen, eine Zeitspanne, die niemand erklären konnte. Durch das Tracking-System gibt es solche Zeitlöcher nicht mehr.
Wie viele Aufträge werden denn täglich abgewickelt?
Theo Ubbens: Zu Spitzenzeiten sind es gegenwärtig 1500 Aufträge pro Tag, vor einem Jahr waren es noch maximal 800 am Tag. Als Durchschnittswert erreichen wir aktuell 1300 Aufträge täglich. In der Unterhaltungselektronik in Deutschland gibt es pro Jahr 13 Mio. Reparaturaufträge, davon 3 Mio., bei denen ein Gerät verschickt wird, also nicht ersetzt oder vor Ort repariert. Von diesem Gesamtvolumen laufen derzeit 10 % über unser Portal, aber das wird noch steigen, da wir erst seit zwei Jahren produktiv sind.
Welche Voraussetzungen muss ein Portalteilnehmer mitbringen?
Theo Ubbens: Auf Seiten des Fachhändlers reicht im Prinzip ein Internet-Anschluss. Natürlich bieten wir auch Schnittstellen an, zum Beispiel zum Kassensystem. Im Handel wird dies allerdings kaum genutzt. Ganz anders sieht das aber bei den Herstellern aus, bei den Logistikern, die die defekten Geräte abholen, und bei den Reparaturwerkstätten. Dort bieten wir spezielle Schnittstellen an, wozu auch individuelle SAP-Anbindungen gehören.
Was kostet dem Fachhändler die Nutzung des Portals?
Theo Ubbens: Bei RTS geht es meist um Garantiefälle, deshalb ist die Nutzung dieses Portal für den Fachhändler kostenlos. Wenn ein Händler jedoch seine eigene Werkstatt mit den Ersatzteilinformationen und Daten aus dem Portal InfoTip-ISS optimieren will, muss er dafür 230 Euro im Jahr bezahlen.
Sind bereits viele Fachhändler, Logistiker und Werkstätten dabei?
Theo Ubbens: An dem Repair-Tracking-Service nehmen etwa 12.200 Fachhändler aus Deutschland und Österreich teil, das ist also ziemlich flächendeckend im Einsatz. Übrigens sind unter den 12.200 Händlern auch etwa 1000 Autohändler, die mit RTS die Reparaturen von Autoradios abwickeln. An der dezentralen Abwicklung ISS nehmen dagegen 5000 Händler teil. Was die Logistiker und Werkstätten angeht, so hängt dies von den beteiligten Herstellern ab. Wir haben inzwischen alle großen Logistiker wie DHL, GLS und UPS angeschlossen, über spezielle Schnittstellen versteht sich. Werkstätten sind es übrigens aktuell 180, obwohl einzelne Hersteller auch nur eine einzige Werkstatt nutzen.
Sie bieten zusätzlich noch Hersteller-, Produkt- und Brancheninformationen auf den Portal-Webseiten. Warum?
Theo Ubbens: Das ist eine Serviceleistung von uns für die Fachhändler. Die Informationen kommen direkt von den Herstellern, die uns die entsprechenden Stammdaten über Schnittstellen übertragen können. Übrigens gehen wir im Bereich Informationen noch einen Schritt weiter und bieten seit kurzem auch kostenpflichtige Online-Schulungen und Praxisseminare. Nicht nur die Unterhaltungselektronik und die IT wachsen immer stärker zusammen. Die technischen Verkäufer müssen zukünftig über Kenntnisse auf beiden Gebieten verfügen.
Auch unsere Leser kaufen Unterhaltungselektronik. Was hat man als Endkunde von Ihren Services?
Theo Ubbens: Einerseits wird die Bearbeitung der Reparaturaufträge schneller, zur Freude der Kunden, die z.B. ihren Camcorder zurück haben möchten. Zum anderen bieten die Hersteller Sony, Philips und Blaupunkt auf ihren Websites für den Endkunden die Möglichkeit, selbst eine Reparatur anzustoßen. Auch wenn man es durch das spezielle Design nicht sehen kann, hinter diesem Angebot steckt die Plattform InfoTip-RTS.
Bieten Sie auch Dienste für andere Branchen an?
Theo Ubbens: Ja, wir wollen neben der reinen Unterhaltungselektronik auch die Nachbarsortimente bedienen, die ein Fachhändler für TV, Video und HiFi ebenfalls anbietet, also Handys, Rasierapparate, Kaffeemaschinen und andere Bereiche der Kleinelektronik. Mit Sharp und Samsung haben wir zum Beispiel Hersteller auf dem Portal, die auch IT-Produkte anbieten. Es macht also Sinn, weitere IT-Hersteller für das RTS-Portal zu gewinnen. Das war auch einer der Gründe für meine Teilnahme an Open Source Meets Business in Nürnberg.
Theo Ubbens, Geschäftsführer der InfoTip Service GmbH, wurde 1961 in Bad Bentheim geboren. Nach Abitur und Zivildienst machte er eine Lehre als Radio- und Fernsehtechniker. Es schloss sich ein Studium der Elektrotechnik an der Ruhr-Universität Bochum an. Von 1991 bis 1996 war er bei der Nokia Unterhaltungselektronik GmbH beschäftigt, zuletzt verantwortlich für den Bereich „Information and Trainingcenter“ sowie Stammdaten im European Service Center. Seit 1997 leitet er die Geschäfte der InfoTip Service GmbH in Hattingen.
Das Interview führte Oliver Schonschek.