Deutsche Unternehmen verlagern ihre Produktion nicht mehr so häufig ins Ausland wie noch vor kurzem. Jeder vierte bis sechste Betrieb kehrt sogar nach Deutschland zurück, weil Einbußen bei Qualität und Flexibilität die erhofften Einsparungen bei den Lohnkosten auffressen. Eine neue Software des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI) kann bereits im Vorfeld einer Verlagerung bei der Entscheidung helfen.
Der Produktionsstandort Deutschland scheint wieder attraktiver zu werden: Nur 15% der Betriebe des deutschen Verarbeitenden Gewerbes haben von Mitte 2004 bis Mitte 2006 Teile ihrer Produktion ins Ausland verlagert. Dieses Ergebnis ist Teil einer Studie für die IG-Metall-nahe Otto-Brenner-Stiftung. Dazu hat das Fraunhofer ISI in Karlsruhe die Datenbasis seiner Erhebung „Modernisierung der Produktion“ ausgewertet, an der 1663 Betriebe des Verarbeitenden Gewerbes teilgenommen haben.
Wie vertiefende Zeitreihenanalysen in der Metall- und Elektroindustrie zeigen, haben Produktionsverlagerungen deutlich an Bedeutung verloren, während die Rückverlagerungen in etwa gleich geblieben sind. Auf jede vierte bis sechste Verlagerung folgt innerhalb von vier bis fünf Jahren eine Rückverlagerung.
Bevorzugte Ziele für Produktionsverlagerungen waren die neuen EU-Mitgliedsländer, allen voran Tschechien und Polen. China auf Rang drei ist mit Abstand das wichtigste Verlagerungsziel außerhalb der EU. Geringere Personalkosten sind nach wie vor das dominierende Motiv für Produktionsverlagerungen, insbesondere in die neuen EU-Mitgliedsländer. Zu diesem Befund passt die Tatsache, dass ostdeutsche Betriebe mit ihren geringeren Arbeitskosten seltener Teile ihrer Produktion ins Ausland verlagern. Dagegen haben Steuern und Subventionen als Verlagerungsmotiv deutlich an Bedeutung verloren.
Die Studie brachte auch an den Tag, wie schnell Verlagerungen scheitern können: 85% der Rückverlagerer hatten in den vier bis fünf Jahren zuvor eine Produktionsverlagerung ins Ausland vorgenommen. „Wer zurück verlagert ist meist relativ schnell gescheitert“, warnt Steffen Kinkel vom Fraunhofer ISI. Langfristige negative Entwicklungen an den ausländischen Standorten spielen damit eine untergeordnete Rolle, vielmehr scheinen Verlagerungen häufig nicht genügend geplant und zu sehr an kurzfristiger Kosteneinsparung orientiert zu werden.
Die Betriebe selbst nennen als Gründe für Rückverlagerungen vor allem Flexibilitäts- und Lieferfähigkeitseinbußen sowie Qualitätsprobleme der Auslandsproduktion. Verlagerungsentscheidungen dürfen sich also nicht alleine auf Vergleiche der Personalkosten stützen, sondern müssen auch Qualitätssicherungskosten und Aufwendungen zur Sicherung der Flexibilität (Puffer-, Lager- und Betreuungskosten) kalkulieren.
Damit Betriebe Standortvergleiche zukünftig fundierter durchrechnen können, hat das ISI eine Software entwickelt, die als Lizenz oder in Verbindung mit einem einführenden Seminar beim Institut erworben werden kann. Die in der Software hinterlegten Erfahrungswerte zu bestimmten, häufig unterschätzten zentralen Kenngrößen wie Anlaufzeiten oder Betreuungskosten sind für Unternehmen der Automobilzulieferindustrie ermittelt worden, prinzipiell ist die Software aber auch für andere Branchen anwendbar. Weitere Informationen dazu stehen im Internet bereit.
(idw/ml)