Bis Ende 2012 sollen alle europäischen Postmärkte vollständig liberalisiert sein. Damit der Markt auch nach der Liberalisierung noch optimal funktioniert, denken Teile der Politik und Wirtschaft über eine Regulierung nach dem Vorbild des Telekommunikationsbereichs nach. Zu wichtig seien beide Industrien für die Informationsgesellschaft, um sie zwei Exmonopolisten zu überlassen. Aber sind die beiden Märkte wirklich vergleichbar? Regulierungsexperte Sven Heitzler vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) bezweifelt das.
Der Berliner Experte behauptet, der Vergleich hinke: „Telekommunikationsnetze bilden eine feste Infrastruktur aus Leitungen, die permanent miteinander verbunden sind und einen erheblichen Aufwand bei der Installation erfordern. Postnetze hingegen bestehen aus Stützpunkten, die im Wesentlichen durch Fahrzeuge untereinander verbunden sind.“ Dies führe zu höchst unterschiedlichen Kostenstrukturen innerhalb der beiden Sektoren. Im Telekommunikationsbereich seien hohe Anfangsinvestitionen zum Aufbau der Infrastruktur notwendig, die Kosten für die Netznutzung hingegen seien relativ gering.
Ganz anders im Postsektor: Die Zustellung zum Adressaten beruht nach Heitzlers Überzeugung überwiegend auf dem Einsatz von Arbeit und verursacht daher vor allem variable Kosten. Die unterschiedlichen Kostenstrukturen bewirken, dass sich die Wettbewerbsbedingungen in beiden Sektoren stark unterscheiden: Während die hohen Anfangsinvestitionen im Telekommunikationsbereich hohe Markteintrittsbarrieren für potenzielle Mitbewerber darstellen, ist der Marktein- und -austritt im Postsektor relativ schnell möglich, so Heitzler weiter.
Die hohen Markteintrittsbarrieren im Telekommunikationssektor sind laut Heitzler aber der Hauptgrund für die dort vorgenommene Regulierung, allen voran die Regelungen, die die Nutzung der bestehenden Netze durch mögliche Wettbewerber betreffen. Da diese Barrieren im Postbereich jedoch sehr viel niedriger sind, entfalle auch die Notwendigkeit für ähnlich geartete Regelungen. „Der hohe Wettbewerb auf den nicht regulierten Kurier-, Express- und Paketmärkten und das hohe Wettbewerbspotenzial auf den Briefmärkten sprechen gegen eine solche Regulierung“, betont der Experte. Daher seine Empfehlung: „Grundsätzlich müssen für alle die gleichen Spielregeln gelten und geregelte Bedingungen für den Marktzutritt herrschen. Ansonsten sollte möglichst weitgehend auf nachträgliche Missbrauchskontrolle durch die Wettbewerbsbehörden gesetzt werden, um bestmögliche Voraussetzungen für effektiven Wettbewerb zu schaffen.“
Ein ausführlicher Beitrag Sven Heitzlers zum Thema ist im aktuellen Wochenbericht des DIW (siehe Bild oben) erschienen und steht per Download kostenlos zur Verfügung.
(DIW/ml)