Hoch her ging es am Mittwochnachmittag bei einer Anhörung des Bundestagsausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zum Thema Informantenschutz für Arbeitnehmer, die ihren Arbeitgeber wegen Gesetzesverstößen im Betrieb anzeigen. Die Ministerien für Arbeit, Verbraucherschutz und Justiz hatten einen gemeinsamen Vorschlag für ein entsprechendes Anzeigerecht im Bürgerlichen Gesetzbuch ausgearbeitet. Die anwesenden Vertreter der Arbeitgeberverbände lehnten den Entwurf vehement ab.
Roland Wolf von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) betonte, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung das Anzeigerecht für Arbeitnehmer bereits geregelt und dabei eine Abwägung zwischen den Interessen der Beschäftigten und der Arbeitgeber vorgenommen habe. Schon jetzt könnten sich bei großen Bedrohungen der Allgemeinheit Arbeitnehmer direkt nach außen wenden. Die Gesetzesänderung, so Wolf, stelle hingegen einen „schweren Schlag gegen die Loyalität“ in den Unternehmen dar und beschwöre die Gefahr des Denunziantentums herauf. Konkret kritisierte der BDA-Vertreter, dass Beschäftigte Anzeigen schon dann erstatten können sollen, wenn sie den subjektiven Eindruck haben, ein Problem sei innerbetrieblich nicht zu lösen.
Michael Andritzky von der Arbeitgebervereinigung Nahrung und Genuss (ANG) hob hervor, dass die Lebensmittelindustrie eine „gewaltige Eigensicherung“ betreibe, um Fehler im Produktionsablauf weitgehend auszuschließen. Im Falle krimineller Machenschaften wie etwa beim Gammelfleisch könnten Arbeitnehmer bereits heute ihre Arbeitgeber anzeigen. Wenn sich Kriminalität dieser Art nicht durch Strafgesetze und wirtschaftliche Sanktionen wie Betriebsschließungen verhindern lasse, dann auch nicht durch die geplante Gesetzesnovelle. Offenbar wolle sich der Staat zum Teil seiner Überwachungsfunktion entledigen und diese Aufgabe Arbeitnehmern zuschieben. Andritzky sagte, jede Anzeige berge die Gefahr in sich, dass ein Unternehmen unberechtigt an den Pranger gestellt werde und eine massive Rufschädigung erleide.
Befürwortet wurde der Vorschlag von Seiten der Gewerkschaften und der Lebensmittelkontrolleure. Für die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) und den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) erklärte Micha Heilmann, eine gesetzliche Regelung des Informantenschutzes sei im Interesse der Verbraucher, der Öffentlichkeit und der Arbeitnehmer dringend geboten. Ein Anzeigerecht für Beschäftigte könne die Aufdeckung nicht nur von Gammelfleisch-Skandalen, sondern auch von Arbeitnehmerbespitzelungen wie bei Lidl, von Schmiergeldzahlungen wie bei Siemens oder von Datenmissbrauch wie bei der Telekom erleichtern. Zudem könne die Gesetzesänderung einen Beitrag zur Bekämpfung von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung leisten.
Die anwesenden Juristen waren sich in der Beurteilung nicht einig. Dieter Deiseroth, Richter am Bundesverwaltungsgericht, hält eine solche Regelung für sinnvoll, weil die Rechtslage zu dieser Problematik Defizite aufweise . Klaus Rinck vom Bundesarbeitsgericht hält die Gesetzesänderung angesichts der bisherigen Rechtsprechung jedoch für „nicht zwingend notwendig“. Arbeitnehmer sollten zumindest zu einer sorgfältigen Prüfung eines Verdachts verpflichten werden, bevor sie Anzeige erstatten. Solche Anzeigen sollten außerdem nur bei Staatsanwaltschaften und zuständigen Behörden möglich sein, der Weg zu Medien oder Verbraucherverbänden jedoch nicht offen stehen. Wenn das Motiv für eine solche Anzeige Rache am Arbeitgeber oder die Schädigung des Unternehmens sei, müsse außerdem eine Kündigung möglich sein. Auch der Arbeitsrechtsausschuss des Deutschen Anwaltvereins (DAV) lehnt den Gesetzesvorschlag ab, da er befürchtet, die Gesetzesänderung in der vorgeschlagenen Form öffne Denunziationen und Mißbrauch Tür und Tor.
(Deutscher Bundestag/ml)