Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) bleibt auf seinem strikten Kurs, der Bekämpfung der Inflation alles andere unterzuordnen. Auf der heutigen Sitzung beschloss der Rat deshalb erneut, den Leitzins (Mindestbietungssatz für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte) unverändert bei 4,00% zu belassen. Auch die beiden anderen wichtigen Zinssätze für die Spitzenrefinanzierungsfazilität und die Einlagefaziliät bleiben bei 5,00% bzw. 3,00%.
Am Nachmittag erläuterte EZB-Präsident Jean-Claude Trichet die Gründe für die Entscheidung. Im Anschluss daran gab er die Einschätzung seines Stabes für die weitere wirtschaftliche Entwicklung bekannt.
Der EZB-Stab rechnet für die Eurozone (EZ15) nun mit durchschnittlich 3,4% Teuerung in diesem Jahr (nach bisheriger Schätzung sollte sie bei lediglich 2,9% liegen). Dieses wäre allerdings die höchste Teuerungsrate seit Einführung des Euro. Erst 2009 werde voraussichtlich die Inflation nachlassen und der Markt zu moderaten Preisanstiegen zurückkehren, vermutet Trichet.
Die Wachstumsprognose für Deutschland im laufenden Jahr wurde von der EZB von 1,7% auf 1,8% leicht nach oben korrigiert, die Prognose für 2009 hingegen von 1,8% auf 1,5% gesenkt.
Ursache für die derzeitige inflationäre Entwicklung sind nach Einschätzung der EZB vor allem die Energie- und Lebensmittelpreise. Eine weitere potentielle Inflationsgefahr stellen hohe Lohnabschlüsse dar. Diesen werde man seitens der EZB besondere Aufmerksamkeit widmen, warnte Trichet. Die Besorgnis scheint in der Tat groß zu sein, denn in für ihn ungewöhnlich deutlicher Form ließ Trichet heute wissen, dass bereits für die Sitzung im Juli eine Anhebung des Leitzinses nicht auszuschließen sei. Wörtlich: „Es ist nicht sicher, aber es ist möglich.“
(ml)