Die Gefahr zu verarmen war 2005 in Deutschland – vielen Unkenrufen zum Trotz – geringer (13%) als im Durchschnitt der EU (16%). Manches hoch gepriesene soziale Musterland erweist sich bei genauer Betrachtung sogar als böser Ausreißer. Das ergaben Berechnungen des Statistischen Bundesamts.
Beispiele bieten die skandinavischen Mitgliedstaaten: So leben in Dänemark 35%, in Schweden 30% und in Finnland 24% der 18- bis 24-Jährigen unter der Armutsschwelle. In der EU sind es nur 20% und in Deutschland sogar nur 15%.
Eine gewisse Absurdität der Definition der Armut im Zusammenhang mit der Armutsstatistik zeigt sich übrigens am Beispiel Luxemburgs: Hier liegt der Schwellenwert für Armutsgefährdung für allein Lebende bei 17.808 Euro pro Jahr und damit fast doppelt so hoch wie in Deutschland (9370 Euro pro Jahr), obgleich die Lebenshaltungskosten kaum über dem deutschen Level liegen.
Positiv überraschen die zehn neuen, am 1. Mai 2004 beigetretenen Mitgliedstaaten: In ihnen ist nur jeder zehnte (10%) Ruheständler armutsgefährdet, in Deutschland dagegen etwa jeder achte (13%) und in der Europäischen Union fast jeder sechste (16%).
Arbeitslosigkeit erhöht in ganz Europa das Risiko für Armutsgefährdung. In Deutschland sind 43% der Arbeitslosen armutsgefährdet (EU: 41%; Eurozone: 38%; zehn neue Mitgliedstaaten: 47%). Die erwerbstätige Bevölkerung Deutschlands ist im Vergleich zur EU insgesamt weniger stark armutsgefährdet. So ist in Deutschland nur jeder Zwanzigste (5%) ab 16 Jahren trotz Erwerbstätigkeit armutsgefährdet, im EU-Durchschnitt jedoch rund jeder Dreizehnte (8%), in der Eurozone etwa jeder Fünfzehnte (7%) und in den zehn neuen Mitgliedstaaten etwa jeder Elfte (9%).
Vollzeitbeschäftigung mindert die Armutsgefährdung in Deutschland um die Hälfte gegenüber Teilzeitbeschäftigung. So sind hierzulande 4% der in Vollzeit Erwerbstätigen ab 16 Jahren armutsgefährdet, jedoch 8% der in Teilzeit Erwerbstätigen. Ähnlich ist es in der EU (Vollzeit: 7%; Teilzeit: 11%) und in der Eurozone (Vollzeit: 7%; Teilzeit: 10%). In den zehn neuen Mitgliedstaaten (Vollzeit: 8%; Teilzeit: 19%) ist der Effekt gravierender.
Diese Daten sind Ergebnisse der neuen EU-weit vergleichbaren Datenquelle über Armut und soziale Ausgrenzung, der „EU-SILC 2006“. Die jährliche amtliche Erhebung, die in Deutschland die offizielle Bezeichnung „Leben in Europa“ trägt, ist die einzige nationale Datenquelle, die europäisch vergleichbare Ergebnisse über Armut und Lebensbedingungen bereitstellt. Insgesamt wurden für EU-SILC 2006 rund 200.000 private Haushalte in der Europäischen Union befragt (darunter in Deutschland: 13.799).
MittelstandsWiki meint: Die Gefahr zu verarmen darf nicht klein geredet oder ignoriert werden. Aber die Fakten zeigen, dass Deutschland weder zu den Armenhäusern gehört, noch dass die Armutsgefahr mit Sozialromantik und überholten Klassenkampfparolen zu überwinden ist. Im Gegenteil: Nur dort, wo eine blühende Wirtschaft Arbeitsplätze schafft, hat Armut keine Chance.
In der Diskussion um die scheinbare Verarmung in Deutschland sind diese Zahlen und Fakten wichtige sachliche Argumente gegen ideologische Schlagwörter und populistische Kampfparolen. (ml) |