Die Steigerung der Produktivität ist in den OECD-Staaten bereits für die Hälfte des Pro-Kopf-Wachstums der Wirtschaft verantwortlich, und der Anteil wird mit dem Sinken der Erwerbsbevölkerung noch steigen. Deshalb ist das Ergebnis einer auf den OECD-Daten basierenden Studie des Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) hoch brisant: Ein zu umfangreicher Kündigungsschutz wirkt sich deutlich negativ auf das Produktivitätswachstum aus.
Im Gegensatz zu den Beschäftigungseffekten des Kündigungsschutzes sind die Konsequenzen für die betriebliche und gesamtwirtschaftliche Produktivität noch weitgehend unerforscht. Ein starker Kündigungsschutz kann Firmen zum Beispiel daran hindern, flexibel auf Nachfrageschwankungen und Strukturwandel zu reagieren oder die Risiken zu bewältigen, die mit der Entwicklung und Markteinführung neuer Produkte verbunden sind. Nicht von ungefähr verfügen Unternehmen in Ländern mit geringem Kündigungsschutzniveau über eine oft größere Dynamik. Er kann auch negative Arbeitsanreize für die Beschäftigten zur Folge haben und ihre Produktivität herabsetzen. Ebenso sind aber auch positive Produktivitätseffekte eines ausgebauten Kündigungsschutzes denkbar, denn bei einer tendenziell längerfristigen Bindung der Arbeitnehmer an die Firmen steigen für beide Seiten die Anreize, zum Beispiel in Weiterbildungsmaßnahmen zu investieren.
Ob in der Praxis die positiven oder negativen Produktivitätseffekte überwiegen, untersuchte nun Luca Nunziata von der Universität Padua. Gemeinsam mit den OECD-Experten Andrea Bassanini und Danielle Venn wertete Nunziata umfangreiche Daten aus den OECD-Ländern für den Zeitraum 1982 bis 2003 aus. Ausmaß und Veränderung des Kündigungsschutzniveaus berücksichtigten die Forscher anhand von OECD-Indikatoren, die jedem Staat einen Wert auf einer Skala von 0 (kaum Kündigungsschutz) bis 6 (sehr starker Kündigungsschutz) zuweisen.
Für Branchen mit ausgeprägtem Wettbewerbsdruck, starkem Strukturwandel oder großer Innovationsabhängigkeit ermittelt die Studie einen auffallend negativen Zusammenhang zwischen Produktivitätswachstum und Ausmaß des gesetzlichen Kündigungsschutzes. Rein rechnerisch würde hier ein Rückgang des Kündigungsschutzniveaus um nur einen Punkt auf der Skala zu einem Produktivitätsschub von bis zu 0,40 Prozentpunkten führen. Die Veränderung des Produktivitätswachstums lässt sich dabei insbesondere auf Reformen des Kündigungsschutzes für reguläre Beschäftigungsverhältnisse zurückführen, während die Auswirkungen liberaler Regelungen bei der Zeitarbeit weitgehend zu vernachlässigen sind.
IZA-Experte Werner Eichhorst zieht daraus den Schluss, dass gerade Deutschland dringend eine Reform des Kündigungsschutzes brauche. Zeitarbeit und befristete Beschäftigung seien hierfür kein Ersatz. Der Volltext der englischsprachigen Studie steht kostenlos als Download zur Verfügung. (idw/ml)