Die Sorge um den Arbeitsplatz wurde in Europa erstmals von der Sorge um die Kaufkraft abgelöst, meldete gestern die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK). Derzeit beobachten 29% der Europäer die Entwicklung der Preise mit Besorgnis. Das bedeutet eine Steigerung um 11 Prozentpunkte. Erst im weiten Abstand hinter dem Spitzenreiter Kaufkraft folgen die Themen Kriminalität, Renten, Altersversorgung, Wohnungen und Mieten. Das ergab die Studie „Challenges of Europe“.
Besonders große Sorgen bereiten die Preissteigerungen den Franzosen. Für knapp die Hälfte unserer westlichen Nachbarn steht sie an erster Stelle. Damit hat sich die Anzahl der Menschen, die bei diesem Thema dringenden Handlungsbedarf sehen, mehr als verdoppelt. Wie in vielen anderen EU-Ländern weist auch in Frankreich die Inflationsrate steil nach oben. Bei der Teuerungsrate von 3,2 Prozent im März 2008 handelt es sich laut dem Institut INSEE um den höchsten Monatswert seit 17 Jahren.
Nicht nur die Franzosen müssen für die Befriedigung von Grundbedürfnissen wie Lebensmittel oder Energie deutlich tiefer in die Tasche greifen. Auch in Belgien, Russland und Österreich stellt die schwindende Kaufkraft das wichtigste Thema dar. In Belgien hat sich mit aktuell 39% die Besorgnis mehr als vervierfacht, in Österreich fast verdreifacht. In Deutschland stuft mehr als ein Drittel der Bevölkerung die Situation als dramatisch ein. In Italien und Polen ist jeweils ein Viertel der Bevölkerung beunruhigt. In Großbritannien, den Niederlanden sowie Spanien sieht hingegen gerade einmal jeder zehnte Bürger Handlungsbedarf.
Seit Beginn der Erhebung im Jahr 2001 erreicht die Sorge um die Arbeitsmarktsituation in diesem Jahr mit 24% den bisher niedrigsten Wert. Allein im Vergleich zum vergangenen Jahr hat sich die Zahl der Kritiker noch einmal um 6 Prozentpunkte verringert, seit dem bisherigen Höchststand im Jahr 2002 sogar mehr als halbiert. Zwar ist in Deutschland, Polen und Spanien die Lage am Arbeitsmarkt immer noch das Thema, das den Bürgern am dringendsten erscheint, dennoch hat auch hier die Sorge nachgelassen. Einzig in Spanien hat die Beunruhigung um die Arbeitslosigkeit in diesem Jahr messbar zugenommen – zurecht, denn im ersten Quartal 2008 ist sie auf 9,1% gestiegen.
Trotz eines minimalen Rückgangs um 1 Prozentpunkt auf 13% belegt die Kriminalität in diesem Jahr Platz 3 der Sorgen in Europa. Eine verstärkte Bekämpfung von Verbrechen fordern vor allem die Italiener.
Ebenfalls 13% der Europäer machen sich über die Renten sowie die Altersversorgung Gedanken. Damit stagniert die Besorgnis im Vergleich zu 2007 und belegt Rang 4. Deutschland und Österreich führen die Rangfolge der Unzufriedenen an, hier beschäftigt dieses Thema etwa jeden Vierten beziehungsweise Fünften.
Zwei Plätze abgerutscht ist die Wohnungsproblematik. Nach dem bisherigen Höchststand von 14% im letzten Jahr sind es diesmal nur noch 12%. Doch in einigen Ländern drückt dieser Schuh ganz besonders: So drängt in Spanien und Russland jeweils etwa ein Viertel der Bürger auf Verbesserung. Aber auch 11% der Briten und Franzosen klagen über hohe Mieten und fehlenden Wohnraum.
Die britischen Bürger beschäftigt in diesem Jahr vorrangig die Zuwanderung und ihre Folgen. Bereits seit 2006 erlebt diese Thematik einen kontinuierlichen Aufschwung und kommt in diesem Jahr auf 31%. Auslöser für diesen Trend ist vermutlich eine durch die EU-Erweiterung eingeleitete Einwanderungswelle aus Osteuropa, vor allem aus Polen. Zudem stieg im ersten Quartal 2008 die Zahl der Asylbewerber um 16%, während sie in anderen EU-Staaten im gleichen Zeitraum um durchschnittlich 10% sank.
Den Spitzenplatz im Sorgen-Ranking der Niederländer belegt – wie schon im Vorjahr – die Verkehrspolitik, die auf der europäischen Sorgenliste jedoch lediglich Platz 11 einnimmt. Mit einem Anstieg von 4 Prozentpunkten auf 32% erreicht die Sorge der Niederländer fast ein Allzeithoch. Im Brennpunkt stehen die massiven Verkehrsbehinderungen und -staus in den niederländischen Metropolen.
Erst im letzten Jahr ist mit dem Umweltschutz ein Thema erneut in die Top Ten eingezogen, aber der Wunsch nach verstärktem Umweltschutz ist – nach Platz 9 im Jahr 2007 – nun das Schlusslicht der europäischen Sorgenliste. Die Zahl der Nennungen ging minimal auf 6% zurück. Vor allem Niederländern und Deutschen liegt die Umwelt mit jeweils 12% am Herzen.
Für die Studie „Challenges of Europe“, aus der die genannten Zahlen stammen, wurden 12.000 Menschen gefragt, welches ihrer Meinung nach die dringendsten Aufgaben in ihrem eigenen Land sind. (GfK/ml)