Wer bei Normungen mitreden kann, ist klar im Vorteil, wer außen vor bleibt, hat das Nachsehen. Deshalb besitzt der Vorwurf, der Mittelstand würde durch gezielte Beitragspolitik aus den DIN-Ausschüssen hinausgedrängt, eine beachtliche Sprengkraft. Unruhestifter ist Prof. Dr.-Ing. Gerd Mühlenbeck, Hochschullehrer für Technische Mechanik und Anlagentechnik an der FH Nordhausen. Er kritisiert die Finanzierung der DIN-Ausschüsse durch Kostenbeiträge der ehrenamtlich mitarbeitenden Experten. Das Deutsche Institut für Normung (DIN) entziehe damit kleinen und mittleren Unternehmen die Möglichkeit zur Mitarbeit am Normungsprozess.
Das DIN ist für die Erarbeitung von Normen zur Gewährleistung von Qualität, Sicherheit und Umweltschutz zuständig. Expertenbesetzte Normenausschüsse konzipieren dabei bindende Standards für die Wirtschaft. Die Arbeit dieser Experten aus Industrie und Wissenschaft ist ehrenamtlich. Neben Experten aus großen Konzernen beteiligen sich auch Hochschulprofessoren und erfahrene Mitarbeiter aus kleinen und mittelständischen Unternehmen an der Ausarbeitung der Standards.
Mühlenbeck empört sich: Noch vor kurzem habe Hartmut Schauerte, Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, betont, der Mittelstand sei auch Innovationsmotor und müsse deshalb stärker an den Normungsprozessen teilhaben. Nun jedoch sei die ohnehin schon unentgeltliche Mitarbeit kostenpflichtig geworden. Jedes Mitglied eines solchen Ausschusses, welches nicht bereits einen ausreichenden Förderbeitrag leistet, müsse jährlich 950 Euro für sein Mitwirken bezahlen. Ein Betrag, der gerade jungen und kleinen Technologieschmieden – neben dem Zeitverlust durch das Engagement in den Ausschüssen – weh tue.
Eigeninteresse kann man in dieser Sache dem Nordhäuser Rebell kaum unterstellen. Als Hochschulprofessor ist er von diesen Kosten ohnehin nicht betroffen. Seine Befürchtung: Kleine Ingenieurbüros könnten sich einen solchen Jahresbeitrag kaum leisten, finanzkräftige Großbetriebe werden die Oberhand in den Ausschüssen gewinnen und den Normungsprozess zu ihren Gunsten beeinflussen. Bereits jetzt dominieren nach Meinung des Professors die Vertreter von Großkonzernen die Expertenausschüsse und beeinflussen die Normsetzung zu ihren Gunsten. Darüber hinaus profitieren diese Firmen aber auch von einem wichtigen Informationsvorsprung. Schließlich erfahren sie früher als ihre Konkurrenten in den klein- und mittelständischen Unternehmen von anstehenden Änderungen der DIN-Normen.
Sollten sich des Professors Bedenken bewahrheiten, wäre es in der Tat an der Zeit, eine solche Beitragspolitik beim DIN zu überdenken, wenn man sich dort nicht dem Verdacht bewusster Nähe zur Großindustrie aussetzen will. (idw/ml)