„Wir brauchen eine neue Ausbildungsoffensive“ forderte gestern auf der Herbstpressekonferenz des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie (HdDB) Verbandspräsident Prof. Dr.-Ing. Hans-Peter Keitel (Bild links). Er befürchtet einen Rückgang der Beschäftigten am Bau trotz einer insgesamt positiven Entwicklung der Bauproduktion. „Die deutsche Bauwirtschaft geht mit gut gefüllten Auftragsbüchern in das zweite Halbjahr 2008. Die moderate Aufwärtsentwicklung im deutschen Bauhauptgewerbe wird deshalb über das Jahr 2008 Bestand haben“, lobte Keitel andererseits die gute wirtschaftliche Entwicklung seiner Branche.
Immerhin habe der Wert der Auftragsbestände zu Beginn des zweiten Halbjahres um nominal 11,7% über dem Vorjahresniveau gelegen. Der Hauptverband halte deshalb an seiner Umsatzprognose fest, nach der die nominalen Umsätze im Bauhauptgewerbe 2008 um etwa 4% zunehmen werden. Bei einem Baupreisanstieg von 3%.
Der Optimismus des Verband stützt sich vor allem auf die nach wie vor hohen Auftragsbestände: Zu Beginn des zweiten Halbjahrs meldeten die Unternehmen des Bauhauptgewerbes immerhin einen gegenüber dem Vorjahr um nominal 11,7% (real 7,4%) höheren Auftragsbestand.
Einmal mehr erweise sich dabei der Wirtschaftsbau als Motor der Baukonjunktur, so der Verband weiter. Die Auftragsbestände lagen in dieser Bausparte um nominal 14,3% (real 9,5%) über dem Vorjahresniveau. Im Öffentlichen Bau verfügten die Unternehmen über ein im Vorjahresvergleich um nominal 15,3% (real 10,6%) höheres Auftragspolster. Dagegen bleibe der Wohnungsbau das Sorgenkind der Baukonjunktur, bedauert der Verband. Dort sanken die Auftragsbestände um nominal 11,9% (real 8,9%).
Ein weiteres Sorgenkind sei die Arbeitskräftesituation. Keitels Prognose: Ende des Jahres könnten es nur noch 703.000 Beschäftigte sein. Das wären 1,6 % Beschäftigte weniger als letztes Jahr. Ursache sei der zunehmenden Engpass auf dem Arbeitsmarkt für Baufachkräfte.Die Branche steuere auf eine demografische Falle zu, befürchtet Keitel.
Zum einen sei die Arbeitskräftereserve, auf die die Unternehmen in den vergangenen Jahren hätten zurückgreifen können, inzwischen wieder in den Markt integriert worden. In Westdeutschland seien im August 2008 vier Arbeitslose auf eine gemeldete offene Stelle gekommen; im gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt seien dies 4,4 Arbeitslose gewesen. Zum anderen schieden Jahr für Jahr etwa 18.000 Mitarbeiter aus dem Berufsleben aus, denen jedoch derzeit nur etwas mehr als 12.000 Nachwuchskräfte gegenüber stünden.
Die deutsche Bauwirtschaft müsse deshalb für ein attraktiveres Image der gewerblichen Bauberufe sorgen, erklärte Keitel. Ansonsten werde sich die Branche im bevorstehenden Wettbewerb der Wirtschaftzweige um die kleiner werdende Zahl von Nachwuchskräften nicht behaupten können. Darüber hinaus müsse die Weiterbildung der vorhandenen Arbeitskräfte forciert werden; unausgeschöpfte Qualitätsreserven könne sich die Branche nicht länger leisten.
Schließlich sei auch die Ausbildungsbereitschaft der Unternehmen weiter zu steigern. Leider stoße diese jedoch an Grenzen; jedes siebte Unternehmen habe im vergangenen Jahr keine geeigneten Bewerber für seine Ausbildungsplätze gefunden. Der Grund: Mangelnde Ausbildungsreife der Bewerber.
Zusätzlich habe sich eine Ingenieurlücke aufgetan, warnte Keitel. Im Durchschnitt des vergangenen Jahres hätten nach Schätzung des Hauptverbandes 9100 offenen Stellen für Bauingenieure etwa 5700 arbeitslose Bauingenieure gegenüber gestanden. Seit Jahren gingen die Absolventenzahlen im Bauingenieurwesen zurück, zuletzt im Jahre 2007 auf nur noch 3083 Hochschulabgänger. Gleichzeitig sei eine zunehmende Qualifizierungslücke zu beobachten. Derzeit starteten drei von vier Studienanfängern im Bauingenieurwesen in Bachelorstudiengängen, nur noch jeder vierte in einem Diplom-Studiengang. Qualitativ fielen jedoch die Bachelorabschlüsse hinter die bisherigen Diplomabschlüsse zurück.
Keine deutsche Universität und nur die Hälfte der Fachhochschulen könnten derzeit im Bauingenieurwesen eine berufsqualifizierende Bachelorausbildung anbieten. Keitel: „Hochschulpolitik und Bauindustrie müssen hier gemeinsam gegensteuern. Für uns heißt das: Stärkere Einbeziehung der Arbeitgeber in die Qualitätssicherung der Studiengänge, Sicherstellung berufsqualifizierender Bachelorabschlüsse und Erhalt der Praxisorientierung der Fachhochschulen.“
Abgesehen von der Entwicklung am Arbeitsmarkt sei für das Jahr 2009 mit Blick auf die Abschwächung des gesamtwirtschaftlichen Wachstums eine Verlangsamung des Wachstumstempos in der Bauwirtschaft zu erwarten, erläuterte Keitel.
Mit einer neuen Baurezession habe dies jedoch nichts zu tun; alle Frühindikatoren – ob Baugenehmigungen, Auftragseingänge oder Auftragsbestände – deuteten darauf hin, dass auch 2009 ein nominales Wachstum der bauhauptgewerblichen Umsätze von 2,5% zu erwarten sei. Vorausgesetzt, dass es keine gravierenden Turbulenzen auf den Rohstoffmärkten gebe, werde sich aber auch der Baupreisanstieg 2009 auf 2% verlangsamen. Real bedeute dies für die Umsätze des deutschen Bauhauptgewerbes eine Stabilisierung auf dem Niveau des laufenden Jahres, möglicherweise sogar ein leichtes Wachstum. (Hauptverband der Deutschen Bauindustrie/ml)