Die neueste Beschäftigungsumfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) zeigt, dass Mathematiker, Informatiker, Naturwissenschaftler und Techniker (MINT) auch weiterhin auf dem deutschen Arbeitsmarkt Mangelware sind, denn jeder zweite befragte Betrieb berichtet über Fachkräfteengpässe bei den MINT-Qualifikationen. Abhilfe schaffen die Unternehmen durch eine intensivere Aus- und Weiterbildung, interne Umbesetzungen und Lohnaufschläge.
Der Personalbedarf der Unternehmen bleibt auf hohem Niveau, auch wenn der Aufschwung an Fahrt verloren hat. Die IW-Umfrage ergab, dass bis Ende 2009 gut jeder dritte Betrieb Personal einstellen will. Mit Entlassungen rechnen dagegen nur 11% der befragten Unternehmen.
Schwerpunkt bleiben Fachkräfte und Akademiker. Bis Ende des Jahres 2009 wollen gut 36% der Unternehmen mehr Fachkräfte mit abgeschlossener Berufsausbildung einstellen; nur 6% bauen entsprechende Stellen ab. Bei den Akademikern liegt der Saldo mit 32 zu 5% nur unwesentlich niedriger. Die Nachfrage nach Hochschulabsolventen sei überdies heute deutlich größer als früher, stellt das Kölner Institut fest. Der kräftige Aufschwung der vergangenen beiden Jahre habe damit nicht allein die Einfachjobs gepuscht, sondern gut bezahlte Akademikerstellen hervorgebracht.
Für An- und Ungelernte dürfte das Pendel in den kommenden Monaten sogar wieder zurückschlagen. Denn per saldo hat knapp jedes fünfte Unternehmen vor, Jobs für Arbeitskräfte ohne Berufsschulabschluss abzubauen, gut jedes Dritte gibt an, dass es Ungelernte überhaupt nicht oder nicht mehr braucht.
Über einen spürbaren Mangel an Fachkräften und Akademikern der Fachrichtungen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT) klagen knapp 38 Prozent der Unternehmen. Weitere 15% erwarten in den kommenden Jahren Engpässe an derartigen Fachkräften. Vor allem größere Betriebe mit mehr als 500 Mitarbeitern fahnden regelrecht nach ihnen, weil viele Kollegen in den Ruhestand gehen und Nachwuchs nur schwer zu bekommen ist.
MINT-Experten sind auf allen Qualifikationsstufen gefragt. Am häufigsten fehlen Akademiker, sagen 70% der betroffenen Betriebe. Aber auch Fachkräfte mit abgeschlossener Berufsausbildung werden von 68% der Unternehmen gesucht. Und 45% der Befragten würden gerne Personen mit abgeschlossenen Fortbildungen, wie z.B. Fachwirte, Meister und Techniker, einstellen, wenn es sie denn gäbe.
Ganz oben auf der Suchliste stehen Ingenieure der Fachrichtungen Maschinenbau, Anlagenbau und Fahrzeugtechnik; jedes zweite vom Fachkräftemangel betroffene Unternehmen braucht solche Leute. Knapp 43% der Firmen suchen händeringend Metallfacharbeiter. An dritter Position der Vakanzliste rangieren Ingenieure der Elektro-, Nachrichten- und ITTechnik. Hier hat jeder dritte Betrieb ungestillten Bedarf. Ebenso viele Firmen suchen Techniker. Stellen für Elektrofachkräfte mit Berufsausbildung sowie Meister sind in rund jedem fünften betroffenen Betrieb vakant.
Am meisten ärgert die Unternehmen, dass sie wegen der Engpässe auf dem Arbeitsmarkt offene Stellen nur verzögert besetzen können – eine Einarbeitung durch den Vorgänger fällt so häufig flach. Immerhin 44% der Betriebe sehen darin ihr größtes Handikap. In 37% der Fälle bleiben MINT-Stellen sogar gänzlich unbesetzt, was noch weiter reichende Folgen für den Betriebsablauf hat. So können oft selbst nachgelagerte Stellen nicht gehalten oder neu geschaffen werden – wo der Forscher fehlt, benötigt man auch keine Laborkräfte mehr. Als Faustformel gilt, dass anspruchsvolle Tätigkeiten häufig mit zwei oder mehr Arbeitskräften verknüpft sind, die den Experten zuarbeiten.
Bei den Maßnahmen, mit denen dieser Mangel behoben werden soll, steht die eigene Aus- und Weiterbildung im Vordergrund: Über zwei Drittel der vom Fachkräftemangel betroffenen Betriebe bilden neuerdings mehr aus oder schulen Mitarbeiter nach. Dabei ist die Weiterbildung in doppelter Hinsicht vorteilhafter, da bei neuem Personal nach Erfahrung von zwei Dritteln der Betriebe häufig Abstriche bei der Qualifikation gemacht werden müssen.
Um den Fachkräftemangel über die Qualifizierungsschiene zu lindern, halten die Betriebe eine ganze Palette von Instrumenten bereit. Die drei Wichtigsten:
Weit mehr als jede zweite Firma mit fehlenden MINT-Experten fördert Mitarbeiter, die sich zum Techniker oder Meister fortbilden lassen. Diese werden für die Kurse freigestellt und/oder bekommen einen finanziellen Bonus.
Viele technische und naturwissenschaftliche Fachkräfte besitzen noch ungenutztes Potential. Für solche potenziellen Aufsteiger bietet knapp jeder zweite Betrieb spezifische Weiterbildungsprogramme an.
Um das Kind erst gar nicht in den Brunnen fallen zu lassen, werden zahlreiche Unternehmen schon im Vorfeld der Berufsausbildung aktiv. Durch Kooperationen mit allgemeinbildenden Schulen wollen rund 40% der Betriebe Schüler für den MINT-Bereich interessieren. Jeder dritte Betrieb mit Fachkräfteengpässen bietet darüber hinaus duale Studiengänge an.
Allerdings wollen einige Firmen die Engpässe nicht selbst angehen. Dazu gehören 20% der Betriebe mit akuten Rekrutierungsschwierigkeiten und 28% derjenigen, die künftig Probleme erwarten. Solche Firmen finden oft schlicht keine geeigneten Schulabgänger, denen sie Ausbildungsplätze anbieten könnten.
Wenn alle Stricke reißen, versuchen die Unternehmen, kluge Köpfe auch über das Gehalt zu ködern. So machen 56% der Betriebe mit Fachkräfteengpässen bei der Neueinstellung finanzielle Zugeständnisse. Aber irgendwann sind die Betriebe am Ende ihrer Möglichkeiten. So wünschen sich 95% der Befragten, dass die Politik sie bei der Förderung und Qualifizierung von MINT-Fachkräften intensiver unterstützt. Auf der Todo-Liste steht die Arbeit in den Schulen an erster Stelle: Knapp acht von zehn Unternehmen mit Fachkräfteengpässen befürworten eine intensivere und praxisnähere Berufs- und Studienorientierung in den Schulen. Den Ausbau der beruflichen Weiterbildung für MINT-Fachkräfte durch externe Anbieter befürworten knapp zwei Drittel der Betriebe. Mehr Technikerschulen und Meisterkurse im MINT-Bereich fordern 52%.
Die Mehrzahl der Betriebe plädiert dafür, dass die Politik sowohl ein berufsbegleitendes Erststudium für Ausbildungsabsolventen als auch ein Aufbaustudium für Beschäftigte mit MINT-Qualifikation finanziell fördert. Fast ebenso viele sprechen sich für die breitere Vergabe von MINT-Stipendien aus. Insbesondere die Altersgrenze von 25 Jahren führt in der bestehenden Bafög-Regelung zu Nachteilen für Bachelorabsolventen, die zunächst im Betrieb arbeiten, um später ein Masterstudium anzuschließen. (IW Köln/ml)