Mit dem wachsenden Wohlstand in China wächst auch das Markenbewusstsein der Chinesen. Damit bieten sich für westlichen Labels attraktive neue Absatzchancen. Gerade Nischenanbieter und -marken stehen bei der städtischen Mittelschicht hoch im Kurs. Bereit, neue Marken auszuprobieren sind vor allem junge Chinesen. Dabei spielt die Qualität als Differenzierungsmerkmal eine wichtige Rolle. Das ergab die aktuelle Studie „Outfitting the new white collars“ des Consultingunternehmens Deloitte zum Konsumverhalten der chinesischen Mittelschicht.
In China verfügen auch Berufseinsteiger über ein Einkommen, das ihnen einen gewissen Luxus erlaubt: Zum einen, weil die Gehälter bereits nach wenigen Jahren deutlich wachsen. Zum anderen übersteigen die tatsächlich verfügbaren Einkommen die nominellen erheblich, da sie zum großen Teil aus „inoffiziellen“ Anteilen bestehen. Auch ist die Sparrate in China hoch, sodass erhebliche Mittel für den Konsum vorhanden sind.
Der Experte Wei Wang, Senior Manager Chinese Services bei Deloitte, zur besonderen Attraktivität der chinesischen Mittelschicht: „Auch in weltwirtschaftlich schwierigen Zeiten wächst der Wohlstand in China weiter. Das betrifft nicht nur die Dollar-Milliardäre, sondern auch die Mittelschicht. Innerhalb der nächsten zehn Jahre soll die Zahl der wohlhabenden Haushalte auf knapp 40 Millionen ansteigen – eine enorme Kaufkraft. Die Wirkung des aktuellen Konjunkturpakets der chinesischen Regierung auf sämtliche asiatischen Märkte zeigt die Bedeutung Chinas als Wirtschaftsmotor. Westliche Marken haben weiterhin starke Expansions- und Wachstumschancen in China – wenn sie sich richtig auf fortlaufende Entwicklungen im Konsumentenverhalten einstellen.“
Das besondere Potenzial der wachsenden Nachfrage junger Chinesen besteht unter anderem darin, dass sie sich für Nischenmarken, die bislang in China noch nicht so präsent waren, interessieren. Die Kunden mit stetig steigenden Shoppingbudgets wollen neue Marken entdecken und Prestige mit Exotik verbinden – es entsteht eine neue Markenkultur. Vor allem die jüngeren Chinesen zeigen sich offen für Experimente: Mehr als 60% der Altersgruppe zwischen 20 und 44 Jahren sind bereit, neue Marken auszuprobieren.
Dabei genießen westliche Marken hohes Ansehen, denn Qualität spielt eine herausragende Rolle – und westliche Marken gelten als qualitativ hochwertig. Die Ansprüche der Käufergruppen sind groß, insbesondere im Hochpreissegment: In den oberen Preisklassen ist es für 70% der Käufer ausschlaggebend, dass die Ware im Heimatland der Marke gefertigt wurde.
Ein weiteres, wichtiges Merkmal der Zielgruppe ist sein Wachstumspotential: Das Wachstum hat in China längst zum Aufbau einer breiten, stabilen Mittelschicht in den Städten und Boomregionen des Landes geführt. Davon profitieren die jungen, gut ausgebildeten Chinesen (ähnlich den „Young Urban Professionals“ der 80er-Jahre in den USA) im Dienstleistungssektor, die „White Collars“. In den Städten nimmt ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung kontinuierlich zu – in Schanghai wird ihre Zahl von heute drei Millionen auf etwa 7,8 Millionen im Jahr 2015 steigen.
Ausschlaggebend für ihre hohe Kaufkraft ist, dass die Gehaltskurve in vielen chinesischen Unternehmen mit der Berufserfahrung mit einer Geschwindigkeit steigt, die die westlichen Vergleichsstandards übertrifft: Schon nach sieben Jahren kann Einstiegsgehalt auf das Sieben- bis Achtfache angewachsen sein. Zudem wird das offizielle Gehalt häufig durch sogenannte inoffizielle Bestandteile aufgewertet. Laut offizieller Erhebungen in Schanghai macht dies bis zu 50% der Gesamtsumme aus.
Sowohl steigende Gehälter als auch die wachsende Anzahl qualifizierter White Collars bedeuten eine erhebliche Konsumnachfrage, die befriedigt werden will. Laut Studie geht die Mehrheit der markenbewussten Zielgruppe – etwa 85% – mindestens einmal im Vierteljahr bzw. einmal monatlich zum Shoppen, knapp 5% sogar einmal pro Woche. Dabei bevorzugen sie Malls, Kaufhäuser und Multi-Brand Stores, also Orte, wo ein breites Spektrum an Markenware und Fashion Labels aller Art zu finden ist.
Am liebsten geben die chinesischen Aufsteiger ihr Geld während der Ferien anlässlich verschiedener Feiertage wie der „Golden Weeks“ zum Frühlingsfest, dem Nationalfeiertag, aber auch in der Weihnachtssaison aus. Es zeigt sich, dass die Zielgruppe mehr auf den Zeitpunkt als auf das Geld achtet: Der „Zahltag“ spielt hier eine ebenso untergeordnete Rolle wie das „Weihnachtsgeld“, also Sondervergütungen. Dennoch sind die Chinesen ausgesprochen aufgeschlossen für Promotionsaktionen und Sonderverkäufe.
„Im Rahmen der Studie haben wir auch nach den jährlichen Durchschnittsausgaben für Kleidung gefragt. Etwa 30% der Befragten geben zwischen 250 und 550 Euro aus, für weitere 30% dürfen es schon zwischen 550 und 1150 Euro sein. Bei diesem Budget bleibt genug für Markenkleidung – gerade westliche Nischenanbieter haben hier gute Chancen, sich einen neuen Markt von enormer Größe zu erschließen. Voraussetzung ist, dass die Produkte einen hohen Qualitätsgrad vorweisen und beispielsweise über die beliebten Multi-Brand Stores angeboten werden“, erläutert Wei Wang. (Deloitte/ml)