Hohe Treueprämien für langjährige Mitarbeiter sind eine schöne Geste und binden wertvolles Mitarbeiterwissen an das Unternehmen. Allerdings bilden sie in Deutschland für ältere Arbeitsuchende auch eine beträchtliche Einstellungshürde. Repräsentative Untersuchungen des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) zeigen, dass in Betrieben, die pro Jahr einen Treuezuschlag von 3% zahlen, der Anteil der neu eingestellten Älteren an den insgesamt neu Eingestellten um rund 10% niedriger liegt als in Betrieben mit nur 2% Treueaufschlag.
Ein weiteres Indiz für die abschreckende Wirkung solcher Aufschläge ist darin zu erkennen, dass deutsche Unternehmen einerseits im internationalen Vergleich besonders hohe Treueprämien für ihre Mitarbeiter bezahlen, aber andererseits ältere Beschäftigte hierzulande größere Schwierigkeiten haben, wieder in den Arbeitsmarkt zurückzukehren als in fast allen anderen entwickelten Volkswirtschaften.
Aufgrund dieser Befunde zu fordern, die so genannte Senioritätsentlohnung (also Entgeltzuschläge, die Mitarbeitern für den Verbleib im Betrieb bezahlt werden) abzuschaffen – wie dies unlängst der EU Kommissar für Beschäftigung, soziale Angelegenheiten und Chancengleichheit, Vladimir Spidla, getan hat – sei allerdings problematisch, warnt Prof. Dr. Thomas Zwick vom ZEW. Der Forschungsprofessor im Forschungsbereich „Arbeitsmärkte, Personalmanagement und Soziale Sicherung“ gibt zu bedenken: Was zunächst durchaus plausibel klinge, um ältere Arbeitslose wieder stärker in den Arbeitsmarkt zu integrieren, könne zu Arbeitsplatzverlusten für die Beschäftigten insgesamt führen.
Zwick, der sich intensiv mit dem Thema Senioritätsentlohnung auseinandersetzt, weist darauf hin, dass eine Aufgabe des Senioritätsprinzips die Unternehmen dazu zwingen könnte, andere und möglicherweise sogar teurere Anreizsysteme zu schaffen. Denn bislang werden die Treueprämien, die eine automatische Steigerung des Lohns mit der Dauer der Betriebszugehörigkeit vorsehen, von den Unternehmen freiwillig gezahlt, da sie eine effiziente Methode darstellen, um langjährige Mitarbeiter mit wertvollem Know-How an den Betrieb zu binden und zu motivieren.
In einer jüngst abgeschlossenen Studie belegt Zwick die hohe Bindekraft der Senioritätslöhne. Vergütet beispielsweise ein Unternehmen den Verbleib im Betrieb mit einem Lohnaufschlag von 3% pro Jahr, so liegt die Betriebszugehörigkeit der Mitarbeiter in diesem Unternehmen um rund 6 Jahre höher als in einem Betrieb, der nur den branchenüblichen Durchschnitt von 2% Aufschlag bezahlt. Entfällt die Senioritätsentlohnung als Instrument zur Mitarbeiterbindung, müssen die Unternehmen nachrüsten, um wertvolle Mitarbeiter zu halten. „Denkbar wäre beispielsweise eine leistungsabhängige Entlohnung. Da dieses Instrument indessen für alle Mitarbeiter gelten würde, könnte es für die Unternehmen teuer werden“, sagt Zwick.
Aber auch das durchschnittliche Lohnniveau der Betriebe könnte bei einem Wegfall der Treuprämien steigen. Zwar würden ältere Mitarbeiter für die Betriebe günstiger. Gleichzeitig würden aber die jüngeren Mitarbeiter teurer – Betriebe mit hohen Treueprämien zahlen momentan geringere Einstiegslöhne als durchschnittliche Betriebe. Da Jüngere nicht mehr mit einem überproportionalen Lohnwachstum rechnen können, ist ihre Bereitschaft, den Arbeitgeber frühzeitig zu wechseln, wenn damit eine Lohnerhöhung verbunden wäre, recht hoch einzuschätzen. Dem könnte ein von vornherein relativ hohes Gehaltsniveau entgegenwirken. „Dadurch würden sich allerdings die Arbeitskosten insgesamt für die Unternehmen erhöhen. Mögliche Folge wären Rationalisierungsmaßnahmen und damit der Abbau von Mitarbeitern – ungeachtet des Alters der Beschäftigten“, warnt Zwick.
Die Studie kann im „ZEW Discussion Paper Nr. 08-039“ nachgelesen werden. Das (englischsprachige) Diskussionspapier steht als kostenloser Download zur Verfügung.
(ZEW/ml)