Nutzt ein Käufer eine Ware und gibt diese später zurück, kann der Verkäufer für den Wertverlust der Ware durch die Nutzung vom Käufer einen so genannten Wertersatz verlangen. Das galt bisher auch für den Fall, dass sich eine Ware als mangelhaft erwies und nachträglich ausgetauscht werden musste. Nun hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Urteil vom16.11.2008 (VIII ZR 200/05) entschieden, dass beim Verbrauchsgüterkauf (§ 474 Abs. 1 Satz 1 BGB) der Verkäufer vom Verbraucher in einem solchen Fall keinen Wertersatz verlangen kann.
Das Urteil war nötig geworden, weil eine solche Verpflichtung des Verbrauchers zur Zahlung von Wertersatz für die Nutzung einer mangelhaften Ware mit Art. 3 der europäischen Verbrauchsgüterkaufrichtlinie nicht vereinbar ist. Ein derartiges Urteil bezeichnen die Juristen als richtlinienkonforme Rechtsfortbildung.
Der konkrete Fall
Ein Frau hatte im Sommer 2002 beim Versandhandelsunternehmen Quelle für rund 530 Euro ein Herd-Set gekauft. Im Januar 2004 stellte die Kundin dann fest, dass sich die Emailleschicht im Backofen abgelöst hatte. Eine Reparatur des Ofens war nicht möglich. Quelle tauschte daher den Backofen aus. Für die Nutzung des ursprünglich gelieferten Ofens während der zwei Jahre bis zur Reklamation verlangte Quelle von seiner Kundin rund 70 Euro, die diese auch entrichtete. Der Kläger, der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände, forderte im Namen der Kundin daraufhin von Quelle die Rückzahlung dieses Betrages. Der klagende Verband verlangte darüber hinaus, dass Quelle in Zukunft generell bei mangelhaften Waren, für die Ersatz geliefert wird, die Einforderung eines Wertersatzes unterlassen solle.
Die Urteile
Das Landgericht hatte in erster Instanz dem Zahlungsantrag zwar stattgegeben, den Unterlassungsantrag aber abgewiesen. Das Oberlandesgericht als zweite Instanz wies die Berufungen beider Parteien zurück. Dagegen legten wiederum beide Parteien beim Bundesgerichtshof als oberste Instanz Revision ein.
Der Bundesgerichtshof setzte jedoch zunächst das Revisionsverfahren mit Beschluss vom 16. August 2006 aus und legte die Frage (nach Art. 234 des EG-Vertrages) dem europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vor, um herauszufinden, ob die entsprechenden Abschnitte des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches (§ 439 Abs. 4 BGB) mit den entsprechenden europäischen Vorschriften (Richtlinie 1999/44/EG) in Einklang stehen. Der europäische Gerichtshof hat die Frage des BGH am 17. April 2008 im Rahmen eines Urteils beantwortet. Die europäischen Richter bestimmten: „Art. 3 der Richtlinie 1999/44/EG ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die dem Verkäufer, wenn er ein vertragswidriges Verbrauchsgut geliefert hat, gestattet, vom Verbraucher Wertersatz für die Nutzung des vertragswidrigen Verbrauchsguts bis zu dessen Austausch durch ein neues Verbrauchsgut zu verlangen.“
Auf gut Deutsch: Das deutsche Recht widerspricht in diesem Punkt dem europäischen Recht. Das europäische Recht betrachtet eine an einen Kunden gelieferte mangelhafte Ware als Lieferung einer vertragswidrigen Ware. Weil damit der Vertrag erst mit der Ersatzlieferung einer einwandfreien Ware erfüllt wird, kann für die Nutzung der defekten Ware bis zur Lieferung einwandfreier Ware auch nichts verlangt werden.
Der für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs wies deshalb folgerichtig in seinem Urteil vom Freitag letzter Woche die Revision des Versandhandelsunternehmens Quelle ab, mit der das Unternehmen sowohl eine Klageabweisung erzielen als auch den Rückzahlungsanspruch kippen wollte. Die Bundesrichter gaben außerdem der Revision des Bundesverbands der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände statt, mit der dieser den Unterlassungsantrag durchsetzen wollte.
Der Bundesgerichtshof hat mit dem Urteil klargestellt, „dass § 439 Abs. 4 BGB im Falle eines Verbrauchsgüterkaufs (§ 474 Abs. 1 Satz 1 BGB) entgegen seinem Wortlaut einschränkend anzuwenden ist. Die durch § 439 Abs. 4 BGB in Bezug genommenen Vorschriften über den Rücktritt (§§ 346 bis 348 BGB) greifen nur für die Rückgewähr der mangelhaften Sache selbst ein, sie führen beim Verbrauchsgüterkauf hingegen nicht zu einem Anspruch des Verkäufers auf Wertersatz für die Nutzung der mangelhaften Sache.“ (BGH/ml)
Urteile/Beschlüsse zum vorliegenden Fall:
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