Entgegen sonstigen Wahlen erlitt die SPD in Hessen ausgerechnet bei den städtischen Wählern große Niederlagen. Selbst in der linken Universitätsstadt Marburg erlebte die Ypsilanti-geschädigte Partei mit einem Verlust von rund 14 Prozentpunkten geradezu ein hessisches Waterloo. Auch Andrea Ypsilanti selbst erlitt in ihrem Wahlkreis, in dem sie bei der letzten Wahl noch das Direktmandat errungen hatte, mit 23,1% eine haushohe Schlappe. Ihre Gegenkandidatin von der CDU kam auf stolze 41,2%.
Zu den regulären 110 Parlamentssitzen des hessischen Parlaments kommen in dieser Legislaturperiode zusätzliche 8 Sitze für sogenannte Überhangmandate. Diese kommen zustande, wenn mehr Kandidaten einer Partei in direkter Wahl (Erststimmen) eine Mehrheit erzielen, als ihrer Partei nach der Verteilung der Zweitstimmen zustünden. Im Fall der aktuellen Wahl profitierten davon vor allem CDU-Kandidaten.
Eine parlamentarische Mehrheit beginnt damit bei 60 Sitzen. Die wahrscheinlichste der denkbaren Koalitionen, eine CDU-FDP-Koalition, kommt auf 66 Sitze. Ihr stünden nur 52 Sitze auf Oppositionsseite gegenüber. Auch eine schwarz-rote Koalition nach Bundesvorbild wäre natürlich regierungsfähig. Sie würde über 75 Sitze verfügen, gilt aber als sehr unwahrscheinlich. Eine weitere theoretisch mögliche Koalition mit Parlamentsmehrheit wäre eine Ampelkoalition aus SPD, FDP und den Grünen. Sie könnte auf 66 Sitze zählen. Eine Koalition aus SPD, den Grünen und Der Linken käme hingegen lediglich auf 52 Sitze und wäre damit auch rein rechnerisch nicht mehrheitsfähig.
Bundespolitisch gesehen ist die Hessenwahl für die SPD ein schrilles Alarmsignal, jegliches Taktieren in Richtung Die Linke tunlichst zu unterlassen. Die Deutschen mögen vielleicht einer zu konservativen Politik etwas müde geworden sein und angesichts der Wirtschaftskrise mehr soziale Rücksichtnahmen wünschen, einer Machtübergabe an die extrem linken Kräfte – sowohl in der SPD als auch in Form der Linkspartei – haben sie jedoch sowohl bei der Bayernwahl als auch jetzt bei der Hessenwahl eine überaus deutliche Absage erteilt. In beiden Fällen steht vor allem der große Erfolg der FDP für den Wille der Wähler, eine konservative Politik durch eine bürgerliche, gemäßigte und liberale Komponente in diesem Land zu ergänzen.
Allerdings ändern sich im Falle einer schwarz-gelben Koalition in Hessen auch die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat. Nach dessen Regeln müsste sich Roland Koch im Bundesrat seiner Stimme enthalten, wenn der Koalitionspartner in einer abzustimmenden Frage anderer Meinung ist als Kochs CDU. Sollte sich in Zukunft die FDP also in einer Frage querlegen, kann sie eine Mehrheit der CDU/CSU im Bundesrat kippen, so dass der Vermittlungsausschuss angerufen werden müsste. (ml)