Gegen 12% aller Kündigungen durch Arbeitgeber wird geklagt, während 16% der vom Arbeitgeber Gekündigten eine Abfindung erhalten. Das ergab eine Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Aus Sicht der Gewerkschaften sind diese Zahlen ein Beweis dafür, dass der Kündigungsschutz für Rechtsfrieden in den Arbeitsbeziehungen sorge, ohne dem Arbeitsmarkt seine Dynamik zu nehmen.
Wie werden in Deutschland Arbeitsverhältnisse beendet? Wer kündigt und wie läuft das Verfahren? Gibt es Streit um Geld oder geht man eher friedlich auseinander? Die Untersuchung einer Forscherinnengruppe um die Arbeitsrechtlerin Prof. Dr. Heide Pfarr knüpft an mehrere große repräsentative Befragungen an: 2001 befragte das WSI erstmals Betroffene zur Beendigung ihrer Arbeitsverhältnisse. Personalleiter kamen 2003 in einer repräsentativen Befragung zur betrieblichen Personalpolitik zu Wort.
Als Folgeuntersuchung hat TNS Infratest Sozialforschung im Auftrag des WSI im Frühjahr 2008 rund 2500 Personen befragt, die innerhalb des vergangenen Jahres ein Arbeitsverhältnis beendet hatten. Zentrale Erkenntnis: Die Befragungsergebnisse sind stabil. Und vor allem: Arbeitgeberkündigungen verlaufen nach wie vor weitgehend konfliktfrei. Lediglich bei einem geringen Teil der beendeten Arbeitsverhältnisse fließt eine Abfindung.
Zuletzt lockerte der Gesetzgeber den Kündigungsschutz Ende 2004, indem er Betriebe mit weniger als zehn Beschäftigten davon ausnahm. Erklärtes Ziel waren mehr Rechtssicherheit, Transparenz und Flexibilität, um Hindernisse für Neueinstellungen abzubauen. Aus Gewerkschaftssicht hatte die Maßnahme keinen ersichtlichen Erfolg. Zahlreiche empirische Studien aus den vergangenen zehn Jahren hätten keinen wesentlichen Einfluss des Kündigungsschutzes auf die Schaffung neuer Beschäftigung gezeigt.
Arbeitnehmerkündigungen sind weiterhin der häufigste Grund, ein Arbeitsverhältnis zu beenden: Im Jahr 2001 gaben dies 39% der Befragten an, 2008 noch 31%. Arbeitgeberkündigungen nannten 2001 nur 32%, in diesem Jahr 28%. Im Zeitvergleich gestiegen ist der Anteil einvernehmlicher Auflösungen und auslaufender Befristungen.
Kündigt der Arbeitgeber, kann der Betriebs- oder Personalrat dem widersprechen. Im Vergleich zu 2001 ist der Anteil der Widersprüche von 10 auf 18% gestiegen.
Die Klagequote hat sich bei Arbeitgeberkündigungen kaum geändert: In der Untersuchung 2001 betrug sie 11%, 2008 ein Prozent mehr. Auch die WSI-Befragung der Personalleiter zur betrieblichen Personalpolitik brachte ein ähnliches Ergebnis: Hier ergab sich für die Jahre 1998 bis 2003 eine Klagequote von 15%.
Durchgängig 10% bekamen bei der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses eine Abfindung. Unter den vom Arbeitgeber Gekündigten erhielten 16% eine Abfindung. Erfolgte die Kündigung im Rahmen eines Sozialplans, gab es in 61% der Fälle eine Abfindung. In der Gruppe derer, die gegen eine Kündigung geklagt haben, erhielten 57% eine Abfindung. Bei Kündigungen, für die kein Sozialplan bestand und gegen die nicht geklagt wurde, floss in 7% eine Abfindung.
Nur 10,5% der Personalleiter hatten in den vergangenen drei Jahren wegen des Kündigungsschutzgesetzes auf Kündigungen verzichtet, ergab eine im Jahr 2007 im Auftrag der Hans-Böckler-Stftung durchgeführte Befragung der Universität Hamburg. Gut 16% der Befragten gab an, wegen des Gesetzes von Einstellungen abgesehen zu haben.
Fazit aus Sicht der gewerkschaftsnahen Stiftung: Die stabilen Daten über die Jahre belegten, dass der geltende Kündigungsschutz […] Rechtsfrieden herstellt. Mit der Änderung des Kündigungsschutzgesetzes könne keine effektive Beschäftigungspolitik gemacht werden.
(idw/ml)
Anmerkung der Redaktion: Die Original-Pressemitteilung spricht tatsächlich von einer „Forscherinnengruppe“, die diese Untersuchung durchgeführt habe. Das Geschlecht der Wissenschaftler sollte eigentlich keiner besonderen Erwähnung bedürfen, wenn es um seriöse Forschungsergebnisse im Rahmen einer genderneutralen Thematik geht. Uns ließ diese Betonung der Zusammensetzung deshalb im negativen Sinne aufhorchen. Da wir aber sicher sind, dass sich Forscherinnen mehrheitlich in der gleichen Weise der Objektivität und den Prinzipien der Wissenschaft verpflichtet fühlen, wie ihre männlichen Kollegen, unterstellen wir, dass es sich lediglich um den feministischen Übereifer einer Presseabteilung handelt. (ml) |