Konsumwachstum könnte 2009 bei 0,5 Prozent landen

Das Thema Arbeitslosigkeit wird den Konsum voraussichtlich erst Ende des Jahres beeinflussen, prognostiziert die Nürnberger Gesellschaft für Konsumforschung (GfK). Der Verbraucher werde im Laufe dieses Jahres noch wenig von der Krise spüren. Die GfK erwartet deshalb für das laufende Jahr ein Wachstum des Konsums um bis zu 0,5%. Gewinner seien vor allem die Lebensmitteldiscounter.

Die Konsumstimmung zeige sich über die letzten Monaten hinweg erstaunlich widerstandsfähig, so die GfK. Trotz der Turbulenzen konnte der Konsumklima-Index von 1,6 Punkten im September letzten Jahres auf 2,2 Punkte im Januar 2009 steigen und zeigte sich zuletzt stabil. Die Stimmung wird durch die stark rückläufige Inflationsrate und die deutlich nachgebenden Benzin- und Energiepreise gestützt. Dies führte zu einer merklichen Steigerung der Kaufkraft, die auch aufgrund der guten Lohnabschlüsse des vergangenen Jahres gestärkt wurde. Auch der bis vor kurzem noch stabile Arbeitsmarkt mit niedriger Arbeitslosigkeit stärkt die Kaufkraft.

Damit sind Voraussetzungen gegeben, die trotz aller Hiobsbotschaften die Hoffnung begründen, dass der Konsum zumindest im ersten Halbjahr einen Teil der Exportrückgänge auffangen könnte. „Die GfK geht von einem Konsumwachstum von bis zu 0,5% aus“, so Professor Dr. Klaus L. Wübbenhorst, Vorstandsvorsitzender der GfK AG, in seinem Fazit. Allerdings werde der Konsum den Export als Konjunkturmotor nicht vollständig ersetzen können.

Anders als bei den Unternehmen, bei denen sich die Krise unmittelbarer auf die Auftragsbücher auswirkt, komme die Krise beim Verbraucher erst dann an, wenn sie sich über den Arbeitsmarkt manifestiert. Die Angst vor Arbeitslosigkeit ist nach Ansicht der Nürnberger Experten in Deutschland besonders ausgeprägt. So verursacht beispielsweise ein Arbeitsloser statistisch gesehen bei drei weiteren Beschäftigen Angst vor dem eigenen Jobverlust. Dies führte bereits in der Vergangenheit zu einer – auch im europäischen Vergleich – merklichen Konsumzurückhaltung. Derzeit liegt die Konsumneigung in Deutschland jedoch höher als in anderen europäischen Staaten.

Auch wenn die jüngsten Arbeitslosenzahlen bereits anziehen, so gehen die Experten doch überwiegend davon aus, dass sich die Krise vermutlich erst 2010 entscheidend auf den Arbeitsmarkt und damit auf das Konsumverhalten auswirken wird. Zwar wird das jetzt beschlossene Entlastungspaket die aktuelle Krise nicht aufhalten können. Dennoch könne es zu einer Stabilisierung der Konjunktur und des Arbeitsmarktes und damit zu einer Milderung der Rezession sowie der Angst vor Arbeitslosigkeit führen.

Hier komme der Wirtschaft und vor allem der Politik eine besondere Verantwortung zu, warnen die Nürnberger. Die Schere zwischen dem verdienten Brutto und dem in der Lohntüte verbleibenden Netto müsse weiter geschlossen werden, damit die Verbraucher einen größeren finanziellen Spielraum haben.

Langfristig sei es zudem notwendig, den Reformprozess beispielsweise bei der Steuerreform fortzusetzen und sich nicht auf wahltaktische Maßnahmen zu konzentrieren. Steuern und Abgaben seien trotz einiger Nachbesserungen immer noch zu hoch. Das belaste die deutschen Haushalte und hemme Investitionen.

Inwieweit sich der Konsum in diesem Rezessionsjahr positiv auf die Wirtschaft auswirken kann, werde in erster Linie davon abhängen, wie stark sich die Krise auf den Arbeitsmarkt auswirken wird. Jedoch könnten auch weitere Faktoren dabei helfen, den Konsum zumindest nicht allzu stark zu belasten. Die Inflationsrate werde voraussichtlich sehr niedrig bleiben und damit die Kaufkraft der Verbraucher stützen. Der Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung gehe von einem Anstieg der Preise in diesem Jahr in Höhe von 0,5% aus. Zudem werden wahrscheinlich vor allem in der ersten Jahreshälfte 2009 noch die guten Tarifabschlüsse aus dem vergangenen Jahr ihre Wirkung zeigen und die realen Einkommen steigen lassen.

Auch dürften von dem kürzlich beschlossenen Konjunkturpaket II in diesem Jahr weitere Impulse für die Verbraucher ausgehen. Da die einbrechenden Exporte mit Hilfe der Binnennachfrage nur teilweise kompensiert werden können, könnten diese Maßnahmen nach Meinung der GfK einen möglichen Konjunktureinbruch zwar nicht vollkommen verhindern, aber zumindest abmildern.

Hieß es früher, den Gürtel enger zu schnallen, steige ganz im Gegensatz dazu die Konsumfreudigkeit seit Monaten stetig. Freilich gehe es dabei zumeist um „den kleinen Luxus“ und eher selten um größere Investitionen. Diese kleinen Extras finden die Konsumenten vor allem im Lebensmittelhandel. Während die Ausgaben für Non-Food seit Jahren zurückgehen, steigen diejenigen für Güter des täglichen Bedarfs kontinuierlich an. Die Verbraucher konsumieren derzeit nach dem Motto: „Wenn schon kein neuer Kühlschrank, dann soll der alte wenigstens gut gefüllt sein“, so Wolfgang Twardawa, Division Manager Strategic Marketing der GfK Panel Services Deutschland.

Allerdings werden die Verbraucher die Krise in den kommenden Monaten deutlicher zu spüren bekommen und ihr Alltagsverhalten darauf abstimmen. Dafür gibt es schon jetzt deutliche Anzeichen, die aber nicht unbedingt zum Nachteil des Lebensmitteleinzelhandels sind. So trete in Zeiten wirtschaftlicher Krisen der Effekt des so genannten „Cocooning“ auf. Dabei verlagern die Verbraucher ihre Aktivitäten wieder verstärkt auf ihre eigenen vier Wände. Das bedeutet beispielsweise, dass sie weniger ausgehen und es sich dafür zu Hause gemütlich machen. Das werde in erster Linie die Gastronomie zu spüren bekommen. Was die Verbraucher nicht außer Haus zu sich nehmen, werden sie als Lebensmittel einkaufen, warnen die Nürnberger Experten.

Wie stark die einzelnen Haushalte letztlich von der Krise betroffen sein werden, sei von ihrer Beschäftigungslage und von ihrem finanziellen Spielraum abhängig. Die GfK hat herausgefunden, dass ein Fünftel aller Haushalte in hohem Maße krisengefährdet ist. Beim Einkauf regiere einzig der Geldbeutel. Bei einem Drittel aller Haushalte sei die finanzielle Situation in der Krise immerhin so angespannt, dass sie zwar bei ihren Einkaufspräferenzen bleiben, aber „cleverer“ einkaufen. Knapp 50% aller Haushalte erweisen sich laut GfK als krisenresistent. Sie setzen beim Einkauf weiterhin auf Qualität und (Premium-)Marken.

Auch wenn nur etwa die Hälfte der Verbraucher tatsächlich von der Krise betroffen sein wird, werde sich dies dennoch stark auf den Lebensmitteleinzelhandel auswirken. Branchen, Industrien und Handel werden von der Wirtschaftskrise unterschiedlich stark betroffen sein.

Nach Meinung der Nürnberger Marktforscher wird es Verlierer aber auch Gewinner der Krise geben. Zu letzteren werden klar die Discounter und Billigmarken gehören. Aber auch das Premiumsegment und Marken mit hoher Kundenbindung werden die Krise besser überstehen und gestärkt aus ihr hervorgehen. Schokolade, Fertiggerichte, Convenience-Produkte oder Soft-Getränke werden aufgrund des Cocooning-Effekts häufiger nachgefragt werden. Bei Produkten wie Wein, Spirituosen, Kaffee, Fetten oder Kosmetik werden die Verbraucher dagegen eher sparen. Zum einen, indem sie weniger davon konsumieren, und zum anderen, indem sie auf günstigere Produkte mit den gleichen Eigenschaften zurückgreifen.

(GfK/ml)