Im Januar 2009 fand zum vierten Mal in Folge der Kongress „Open Source Meets Business“ (OSMB) in Nürnberg statt. OSMB-Chairman Richard Seibt griff dieses Postulat in seiner Begrüßungsrede auf und spitzte den Kongresstitel kurzerhand auf die Formel „Open Source Is Business“ zu. Denn was aus nicht kommerziellen Communities heraus entstanden ist, bildet mittlerweile die Grundlage für tragfähige Software- und Services-Geschäftsmodelle.
Im ‚Investment Summit‘ wurden die Potenziale des Open-Source-Marktes aus Investorensicht ausgelotet und Finanzierungsalternativen zur Diskussion gestellt, während im ‚Technology Summit‘ Updates und Neuerungen diverser Community- und kommerzieller Open-Source-Projekte vorgestellt wurden. Im ‚Enterprise Summit‘ wurde dagegen in Vorträgen dargestellt, dass Open Source längst seine Enterprise-Tauglichkeit durch den Einsatz in Unternehmen aus den Bereichen Industrie, Finanzen und Medien sowie im Öffentlichen Sektor unter Beweis gestellt hat
Laut Larry Augustin, einem Privatinvestor in eine Vielzahl von Open-Source-Unternehmen, nutzen rund 80 Prozent der 1.000 umsatzstärksten Unternehmen weltweit das Betriebssystem Linux. Und „selbst Gartner“, so Augustin, prognostiziere mittlerweile, dass bereits 2010 vier von fünf kommerziellen Softwareprodukten „Elemente von Open Source“ enthalten würden. Augustins Fazit: Open Source ist eine „sichere Wette“. Nach Tom Berquist (Ingres) und Sacha Labourey (Redhat) gelte das besonders unter den Bedingungen der globalen Wirtschaftskrise: Unternehmen könnten ihren Marktwert ihrer Meinung nach antizyklisch steigern, wenn sie jetzt die strategische Entscheidung pro Open Source treffen würden.
Ein weiteres Indiz für die Popularität von Open Source war die verstärkte Teilnahme interessanter Start-Ups an dem mit 75.000 Euro dotierten Open Source Business Award, dessen Sieger am Abend des ersten Kongresstages gekürt wurden. Eine aktuelle Heise-Umfrage zeigt zudem, dass die Zuversicht der Open-Source-Branche begründet ist: Nach ihr spielt Open-Source-Software in mehr als 80 Prozent aller Unternehmen eine wichtige Rolle. Gut 40 Prozent aller befragten Unternehmen (1.312 Umfrageteilnehmer) bezeichnen den Einsatz von Open-Source-Software gar als „unternehmenskritisch“. Heise Open plant, die Umfrage künftig jährlich durchzuführen.
Dem Thema Cloud Computing wurde im ‚Technology Summit‘ großes Interesse gewidmet. Rafael Laguna de la Vera von Open Xchange bezeichnete das steigende Kommunikationsvolumen im Internet als stärkste Treiber des Cloud Computing, während Uwe Heckert von T-Systems Cloud Computing als logische, kosteneffizientere und skalierbarere Fortentwicklung traditioneller Outsourcing-Konzepte beschrieb.
Im ‚Enterprise Summit‘ sorgten zwei Fallbeispiele für besondere Aufmerksamkeit: Elmar Helten vom Bayerischen Finanz-Zentrum dozierte über „Prometheus“, eine offene Plattform für Makler, Maklerverbünde, Versicherungsgesellschaften und IT-Dienstleister, die Vertrieb und Verwaltung von Versicherungsprodukten standardisieren und dadurch für mehr Transparenz im Markt für Finanzdienstleistungen sorgen will. Spannend war auch die Zwischenbilanz, die Ingo Schwarzer von DB-Systel nach drei Jahren strategischen Open-Source-Einsatzes im Bahn-Konzern zog. Die Bahn hatte 2006 ihre Sparc-Solaris-Systeme durch x86-Hardware unter Linux ersetzt.
Hochverfügbarkeit und Virtualisierung waren Gegenstand einer Reihe von Vorträgen. Vielfach wurde die Meinung geäußert, dass Open-Source-Anwendungen die Königsdisziplin geschäftlicher IT-Anwendungen übernommen habe. Laut Thomas Jannot (Mittelstandswiki) deute vieles darauf hin, dass sich das Thema Hochverfügbarkeit zu einer Open-Source-Domäne entwickele.
OSMB 4 zeigte insgesamt, dass Open Source der strategischen IT-Planung einen der derzeit größten Gestaltungsspielräume bietet. Open-Source-Software hat sich im Stack wieder ein Stück nach oben ausgebreitet: Nach Infrastruktur sowie Datenbanken und Entwicklungsumgebungen kommen nun die unternehmenskritischen Anwendungen. Je enger sich Open-Source-Lösungen aber an klassische Business-Anwendungen annähern, desto weniger sind sie hinsichtlich Entwicklung und Lizenzierung eine Besonderheit. Wenn Open-Source-Software sich von traditionell lizenzierter Software absetzen will, dann muss sie im Wettbewerb mit dieser bei der Qualität und – besonders in der Krise – bei den Kosten punkten. Die Chancen stehen gut, dass der Branche das gelingt. (Quelle: Heise Events/GST)