Für die Konkurrenten der Deutschen Post ist die Befreiung des De-facto-Monopolisten von der Umsatzsteuer eine Provokation ersten Ranges. Dabei wird der Streit zwischen den Gegnern und Befürwortern der Sonderbehandlung keineswegs nur mit wirtschaftlichen Argumenten ausgetragen, sondern – vor allem seitens der Befürworter – bevorzugt mit gesellschaftspolitischen. Das wurde in einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses des Bundestags am Mittwochnachmittag erneut deutlich. Auf der Agenda der gemeinsamen Aussprache zwischen Politikern und Experten stand der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes.
Mit dem Gesetzentwurf will die Bundesregierung nach dem Ende des Briefmonopols öffentliche Posteinrichtungen von der Umsatzsteuer befreien. Diese Posteinrichtungen müssen nach dem Willen der Regierung flächendeckend postalische Dienstleistungen zu einer bestimmten Qualität zu tragbaren Preisen für alle Nutzer zur Verfügung stellen. Dagegen verlangt die FDP-Fraktion in einem eigenen Gesetzentwurf, dass die Umsatzsteuerbefreiung für die Deutsche Post entfällt.
Einer der Befürworter der Steuerbefreiung, der am rigorosesten auf gesellschaftspolitische Aspekte verwies, war der renommierte Steuerrechtler Professor Harald Schaumburg. Er plädierte, Universaldienstleistungen seien ohne Einschränkungen von der Umsatzsteuer zu befreien. Diese Dienstleistungen müssten gemeinwohlorientiert und flächendeckend sein. Der Grundsatz der Wettbewerbsneutralität sei nicht geeignet, die Umsatzsteuerbefreiung aufzuheben.
Der Wirtschaftswissenschaftler Professor Justus Haucap hatte mehr die praktischen Konsequenzen im Blick. Er wies darauf hin, dass nach den Vorschriften des Gesetzentwurfs bisher nur die Deutsche Post die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Umsatzsteuer erfülle. Die Post-Konkurrenten würden typischerweise nicht den Transport von Paketen, Briefen und Zeitungen aus einer Hand anbieten. Wenn der Gesetzentwurf so umgesetzt werde, werde nur die Deutsche Post von der Umsatzsteuer befreit sein. Den Wettbewerbern würden Steine in den Weg gelegt. Sie könnten kaum die Bedingungen für eine Steuerbefreiung erfüllen.
Das Argument der Gemeinwohlorientierung ad absurdum führte dann auch Professor Hans-Peter Schwintowski von der Humboldt Universität Berlin. Er verwies zurecht darauf, dass nicht nur Postleistungen Teil der Daseinsvorsorge seien. Zur Daseinsvorsorge gehörten ebenso Stromversorgung und Telefon. Für Strom und Telefon müsse jedoch Umsatzsteuer gezahlt werden. Daher habe auch die Post Umsatzsteuer zu bezahlen. Es gebe keinen Grund für die aktuelle Ungleichbehandlung. Die Befreiung von der Umsatzsteuer werde auch nicht von europäischem Recht legitimiert. Die Deutsche Post sei außerdem keine öffentliche Posteinrichtung, sondern ein privates Unternehmen, an dem der Staat nur noch indirekt über die KfW-Bankengruppe beteiligt sei.
Kleine Post-Konkurrenten wie die Francotyp-Postalia Holding beklagten Wettbewerbsverzerrungen durch den Steuervorteil für die Deutsche Post. Das Unternehmen bearbeite 1,6 Milliarden Sendungen pro Jahr. Die Steuerbelastung führe zu einer Benachteiligung im Wettbewerb, klagte Vorstand Andreas Drechsler. Auch Mario Frusch vom Post-Konkurrenten TNT Post kritisierte, dass es in Deutschland keine Liberalisierung des Post-Marktes gebe. 800 Konkurrenten der Deutschen Post hätten nach 10 Jahren gerade 9 % Marktanteil.
(Deutscher Bundestag/ml)