Drastisch nach unten korrigierte am Donnerstag das Institut für Weltwirtschaft (IfW) seine Prognosen für die Weltwirtschaft. Im Vergleich zum Vorjahr werde das Weltbruttoinlandsprodukt im ersten Quartal 2009 zum ersten Mal seit den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg gesunken sein, vermuten die Kieler Experten. Sie erwarten nun einen Rückgang um 0,8%. Ihre Prognose vom Dezember lag noch bei einem Wachstum von 0,4%. Im kommenden Jahr dürfte sich die Weltwirtschaft allerdings allmählich beleben, hoffen die Analysten. Mit einem Zuwachs von 2,1% (Dezember: 1,9%) bleibe der Anstieg des Welt-BIP voraussichtlich aber sehr mäßig.
Die Weltwirtschaft befindet sich im Winter 2008/09 auf einer konjunkturellen Talfahrt historischer Dimension. Die Produktion ist inzwischen nahezu überall stark abwärtsgerichtet. Das reale Bruttoinlandsprodukt der Welt lag im vierten Quartal nur noch um rund 1% höher als im selben Zeitraum des Vorjahres, dies ist die niedrigste Rate seit 1982. Zu Beginn dieses Jahres hat sich die Talfahrt offenbar fortgesetzt. Darauf deutet auch der IfW-Indikator für die weltwirtschaftliche Aktivität hin, der sich nach der Jahreswende weiter deutlich verringert hat (Abbildung). Insbesondere die Industrieproduktion wurde weltweit massiv reduziert, um einer schrumpfenden Nachfrage und gestiegenen Lagerbeständen zu begegnen. Auch der Welthandel ist gegen Jahresende drastisch eingebrochen.
Der Preisauftrieb ist im zweiten Halbjahr 2008 als Folge gesunkener Rohstoffpreise weltweit stark zurückgegangen. In den großen Industrieländern verringerte sich die Inflationsrate von 4,8% im Juli auf 0,6% im Dezember.
Unter der Annahme eines im Prognosezeitraum konstanten Ölpreises in Höhe von 40 Dollar per Barrel dürften im Frühjahr und Sommer 2009 in vielen Industrieländern sogar negative Inflationsraten verzeichnet werden. Das Kieler Institut erwartet jedoch nicht, dass sich in den Industrieländern längerfristig eine Deflation ergeben werde. Für Japan ist allerdings ein Rückfall in die Deflation wahrscheinlich.
Die Zentralbanken in den Industrieländern haben angesichts der konjunkturellen Talfahrt und der anhaltenden Probleme im Finanzsektor ihre Politik in den vergangenen Monaten zusätzlich gelockert. Die Notenbankzinsen wurden weiter gesenkt. In vielen Ländern sind inzwischen langjährige Tiefststände erreicht; in den Vereinigten Staaten und in Japan liegen sie bereits seit Ende 2008 bei Null. Da damit dieses Mittel einer Anregung der Nachfrage weitgehend ausgeschöpft ist, bleiben laut IfW weitgehend nur noch „unkonventionelle Maßnahmen … mit denen die Zentralbankgeldmenge direkt erhöht“ werden.
Die Phase der Konsolidierung in den Staatshaushalten ist nach Meinung der Kieler Experten vorerst vorbei. Im laufenden Jahr werden sich die Staatsfinanzen drastisch verschlechtern. Zu den gravierenden Auswirkungen des konjunkturellen Einbruchs auf Staatseinnahmen und -ausgaben kommen erhebliche Ausgaben zur Stützung des Finanzsektors hinzu, auch wenn die Rettungspakete nur zum Teil unmittelbar defizitwirksam werden. Der tatsächliche Nachfrageimpuls der Konjunkturprogramme ist allerdings in vielen Fällen erheblich kleiner, als das in der Öffentlichkeit kommunizierte Volumen suggeriert. Auch kommen empirische Untersuchungen hinsichtlich der Wirkung der verschiedenen Maßnahmen auf die Konjunktur teilweise zu stark unterschiedlichen Ergebnissen.
Die Prognosen des Kieler Instituts: Ein Ende der Talfahrt der Weltkonjunktur ist derzeit noch nicht in Sicht. Nach den vorliegenden Indikatoren müsse davon ausgegangen werden, dass die Weltrezession sich mindestens noch bis zur Jahresmitte fortsetzen wird. Die Kieler Analysten halten es zudem für wenig wahrscheinlich, dass sich dann bereits eine deutliche Erholung der Weltwirtschaft anschließt. Eine Reihe von Faktoren, die sich zum Teil gegenseitig verstärken, belasten die Perspektiven bis auf weiteres.
Ein Kernproblem bleibe die anhaltende Verunsicherung an den Finanzmärkten. In wichtigen Ländern komme eine Depression am Immobilienmarkt hinzu, deren Ende noch nicht absehbar sei. Erfahrungsgemäß sind Rezessionen, die mit Immobilien- und Bankenkrisen einhergehen tiefer und schwerer als Rezessionen mit anderen Ursachen.
Die Kieler Experten erwarten zwar, dass es in den kommenden Monaten gelingt, das Weltfinanzsystem zu stabilisieren und damit die Impulse der Geld- und der Finanzpolitik zu stärken. Entsprechend werde die Weltkonjunktur gegen Ende des laufenden Jahres wieder anziehen. Sie rechnen aber auch damit, dass das Expansionstempo angesichts der weiter bestehenden retardierenden Faktoren nur mäßig sein werde.
Alles in allem werde die Weltproduktion 2009 um 0,8% schrumpfen (Tabelle). Das wäre dann das schlechteste Resultat in einem Jahr seit der Großen Depression. Noch dramatischer sei die Entwicklung im Welthandel, für den die Kieler einen Rückgang um 11,5% erwarten. Im kommenden Jahr dürfte das globale Bruttoinlandsprodukt dann wieder zunehmen. Mit einer Rate von 2,1% falle der Zuwachs allerdings im historischen Vergleich nochmals sehr niedrig aus, und der Welthandel lahme noch. In den Industrieländern gehe die Produktion 2009 mit einer Rate von 2,6% drastisch zurück, 2010 steige sie dann nur leicht.
Dabei nehme die Arbeitslosigkeit massiv zu, mit einer erheblichen Produktionslücke am Ende des Prognosezeitraums. In den Vereinigten Staaten helfe das große Konjunkturprogramm, den Rückgang des Bruttoinlandsprodukts in diesem Jahr auf -1,9% zu begrenzen. Die für die zweite Hälfte des Jahres zu erwartende konjunkturelle Belebung dürfte allerdings durch einen nachhaltigen Trend zu einer höheren Sparquote gebremst werden.
In den Schwellenländern werde die Wirtschaft insgesamt auch 2009 noch leicht expandieren. Dies sei aber vor allem den beiden großen Ländern China und Indien geschuldet. In den übrigen asiatischen Schwellenländern und in Lateinamerika gehe die Produktion ebenfalls zurück. (IfW/ml)