Ein freimütiges Geständnis ist allemal besser, als schönfärben und vertuschen. So gesehen verdient der Commerzbank-Vorstand Achim Kassow – ganz ohne Ironie – ein Lob und seine Bank ein paar kleine Vertrauenspunkte als Vorschuss in eine hoffentlich zukünftig kundengemäßere Beratung. In einem lesenswerten Interview in der Süddeutschen Zeitung vom 14. April gestand der hochrangige Banker dem Interviewer: „Wir haben in den vergangenen Jahren zu oft Renditeberatung statt Anlageberatung geleistet.“ Deshalb sei die Bank mit schuld am derzeitigen Misstrauen der Bankkunden in die Berater.Kassow ist allerdings trotz dieser offenen Worte nicht das Unschuldslamm, das er vielleicht gerne wäre. Er gab nämlich auch zu: „Wir wissen aus Umfragen, dass rund 30 % der Bankkunden nach einem Beratungsgespräch mit dem Gefühl die Bank verlassen, dass sie nicht alles verstanden haben. Aber etwa die Hälfte von ihnen würde nicht nachfragen.“
Nun denn, wenn der Vorstand der Commerzbank das wusste, warum wurde nichts zur besseren Aufklärung unternommen? Oder ließen sich mit der Unsicherheit vielleicht doch ganz gute Geschäfte machen? Vor rund einem halben Jahrhundert nannte man das „Herrschaftswissen“. Dieses gibt dem Wissenden Macht über andere. Wer sich in den modernen Finanzgeschäften nicht auskennt, überlässt Kaufentscheidungen eben öfter mal allein dem wissenden Banker, als jene, die aus eigenem Wissen heraus entscheiden können.
Das Interview ist im Internet im vollen Wortlaut hier nachzulesen.
(ml)
Kommentar der Redaktion: Hier ist übrigens mal der richtige Anlass, jene zu verteidigen, die bis zur Krise an der Kundenfront den Kunden das Geld aus der Tasche ziehen mussten. Vielen sind die von den Bankvorständen nahegelegten Mittel schon vor der Krise längst suspekt gewesen. Aber das geben sie nur in Kollegenkreisen zu. Die hochwirksamen Druckmittel der Vorstände waren immer härtere Vorgaben – natürlich immer im Namen der globalen Konkurrenz. Ihr medienpräsentester Wortführer war der jetzt auf wunderbare Weise geläuterte, dauerlächelnde Deutschbänkler Josef Ackermann.
Wer die Vorgaben von oben nicht erfüllte, fand sich nicht nur schnell auf dem Abstellgleis, sondern musste fast immer auch um den Job bangen.
Jetzt, in der Krise, müssen aber keineswegs die eigentlich Verantwortlichen Tag für Tag die Anfeindungen der schlecht Beratenen von Angesicht zu Angesicht ausbaden, sondern wieder die Frontkämpfer am unteren Ende der Leiter. Die meisten Bankmanager kommen mit einer zwar heftigen, aber unpersönlichen Medienschelte vergleichsweise gut davon.
Dabei ist es legitim, vernünftig verdienen oder wenigstens im Job bleiben zu wollen. Niemand wüsste das besser als die Kaufmannszunft. Und Illegales wurde nicht verkauft. Lediglich die Anweisungen von oben wurden befolgt. Das aber ist wohl kaum verwunderlich – es gehört nicht nur Mumm, sondern auch viel Eigenkapital dazu, bis man es sich leisten kann, zum Chef zu gehen und den Bettel hinzuschmeißen, weil einem bei seinen Vorgaben moralisch etwas mulmig zumute ist. Zumal die Vorstände deutscher Banken bis zur Krise auch intern immer noch die Aura der Seriosität schmückte.
Manche Bankberater haben in den letzten Jahren dennoch ihrem Spiegelbild zuliebe den Job an den Nagel gehängt und dafür in der Öffentlichkeit so gut wie nie Dank geerntet. Bestenfalls in politischen Magazinsendungen spätabends oder nachts durften die Gesprächigsten unter ihnen mit viel Glück kurzzeitig Held sein – und waren danach in aller Regel Verfemte der eigenen Zunft. Selbst den öffentlichrechtlichen Sendern waren solche Themen vor der Krise nämlich für die Hauptsendezeiten zu wenig quotenträchtig. Lieber ließ man in Premiumzeiten halbgare Comedians mit zotigen Witzen über die Bühne hanswursten oder Köche bis zum Erbrechen Gerichte vorkochen, die ohnehin keiner nachmacht.
So haben am Ende nicht nur Bankvorstände zu der Katastrophe beigetragen, sondern auch viele, die jetzt das moralische Zepter schwingen. Nur die angestellten Berater können genau genommen am wenigsten dafür.
(ml)