Eine ganze Reihe von Wirtschaftsdaten des Mittelstands sind auf 15-Jahres-Tiefststände gefallen, meldet Creditreform. Nachdem im Frühjahr 2008 noch 47,1 % der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in Deutschland ihre Geschäftslage mit sehr gut und gut bewerteten, ist dieser Anteil in diesem Jahr auf ein Drittel (33 %) zusammengeschrumpft. Die Noten mangelhaft oder ungenügend vergeben mittlerweile 13,8 % der Befragten, nachdem es im vergangenen Frühjahr nur 5,1 % waren.Der Mittelstand im Westen Deutschlands ist aufgrund seiner Industriestruktur und Exportorientierung stärker von der schweren Wirtschaftskrise betroffen als die ostdeutsche Wirtschaft. So schätzen im Osten 41,3 % der Unternehmen die aktuelle Geschäftslage mit gut oder sehr gut ein, im Westen sind es nur 31,6 %.
Die Entwicklung der Umsatz- und Ertragszahlen spiegelt die deutlich verschlechterte Stimmungslage wider: Lediglich jedes zehnte Unternehmen (10,7 %; Vorjahr: 24,4 %) berichtet von einem Umsatzanstieg. Bei knapp der Hälfte der Befragten (49,1 %) sind die Umsätze zurückgegangen – fast doppelt so viele wie vor einem Jahr (26 %). Der Saldo aus Umsatzzuwächsen und -rückgängen liegt mit minus 38,4 Punkten tiefer als die bisherigen Tiefststände aus dem Jahr 2003 (minus 33,6 Punkte) und 2005 (minus 31,0 Punkte).
Im Verarbeitenden Gewerbe sind die Umsätze am stärksten eingebrochen. 59,4 % der Unternehmen melden einen Umsatzrückgang, nur 6,5 % konnten ein Plus verbuchen. Im Handel liegen diese Werte bei 57,1 bzw. 11,4 %, im Bau bei 45,8 bzw. 5,4 % und im Dienstleistungssektor bei 40,7 bzw. 14,7 %.
Die Investitionsbereitschaft im Mittelstand hat sich deutlich verringert: Sah sich im vergangenen Jahr noch gut die Hälfte (51,1 %) der KMU imstande, Investitionen vorzunehmen, so schrumpfte die Bereitschaft oder Fähigkeit innerhalb eines Jahres um nahezu zehn Prozentpunkte auf 41,4 %. Vor allem im Verarbeitenden Gewerbe brach die Investitionsneigung drastisch ein: Im vergangenen Jahr wollten 61,5 % dieser Unternehmen Investitionen vornehmen, aktuell sind es nur noch 42,7 %.
Der Bau weist weiterhin die schwächste Investitionsneigung aller Hauptwirtschaftsbereiche auf, obwohl sie im Jahresvergleich mit 39,1 % etwa stabil blieb. Gut 17 % des Mittelstands nennt Finanzierungshemmnisse als Grund für unterlassene Investitionen. Wenn die Unternehmen Investitionen vorsehen, dann stehen weniger als sonst Erweiterungsinvestitionen auf der Agenda. Diesmal fließen nur 46,9 % des Investitionsbudgets in die Erweiterung von Kapazitäten. Im Vorjahr waren es 51,5 %.
Als Folge der Krise schrumpft die Eigenkapitaldecke vieler Unternehmen, denn die Ertragslage im deutschen Mittelstand ist desaströs. Gut die Hälfte der Unternehmen (51,6 %) berichtet von gesunkenen Erträgen, noch nicht einmal jeder Zehnte (9,2 %) meldet einen Gewinnanstieg. Auch aufgrund dieser Entwicklung konnte die Eigenkapitallücke im Mittelstand nicht geschlossen werden.
Ein knappes Drittel der kleinen und mittleren Unternehmen (31,5 %) gilt als unterkapitalisiert – 1,2 Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. Den höchsten Anteil unterkapitalisierter Firmen weist nach wie vor der Baubereich auf (40,8 %), gefolgt vom Dienstleistungssektor (32,8 %) und dem Handel (32,7 %). Unter den eigenkapitalstarken Firmen ist die Lage ebenfalls gekippt. 22,9 % der Unternehmen verfügen über eine Eigenkapitalquote von mehr als 30 % der Bilanzsumme (Vorjahr: 23,9 %). Aussicht auf nachhaltige Besserung dieser Situation gibt es nicht.
Creditreform befragte die Unternehmen erneut nach den Auswirkungen der Finanzmarktkrise auf die Finanzierungsbedingungen des Mittelstandes. 43,2 % der KMU bejahten die Frage, ob die Finanzierungsbedingungen heute schwieriger seien als vor einem Jahr. Im Vorjahr machten diese Angabe 32,5 % der Befragten. Konkret fordern die Kapitalgeber mehr Sicherheiten (83,4 % der Fälle) und höhere Risikoaufschläge (33,9 %), bevor ein Kredit bewilligt wird. Eine Kreditklemme stellt immerhin ein Sechstel der Unternehmen (16,9 %) fest – doppelt so viele wie im Vorjahr. Unter abgelehnten Kreditanträgen haben vor allem Einzelhandel (26,3 %) und Baugewerbe (21,7 %) zu leiden.
Die Krise und schlechte Lage der KMU wirkt sich auch auf die Beschäftigungssituation und Personalplanung aus, denn die Umsatzerwartungen für die kommenden sechs Monate sind so düster wie lange nicht mehr: 38,2 % der Befragten befürchten fallende Umsätze – nach 13 % im vergangenen Jahr. Dabei erwarten 17,2 % der Unternehmen einen Umsatzanstieg – im Frühjahr 2008 waren es noch 31,1 %. Der aktuelle Umsatzsaldo ist mit minus 21,0 Punkten der schlechteste seit der Wiedervereinigung.
Die mittelständischen Unternehmen sind zwar bestrebt, ihren Bestand an Mitarbeitern zu halten und 71,5 % der befragten Unternehmen planen, die Beschäftigtenzahl unverändert zu lassen. Allerdings dürfte sich der Stellenabbau auch im Mittelstand beschleunigen. 17,2 % werden die Mitarbeiterzahl verringern müssen. Am stärksten ausgeprägt ist diese Quote bei Großunternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern (41,1 %), am geringsten bei Kleinunternehmen (ein bis fünf Mitarbeiter) mit 7,4 %.
Am drastischsten einschränken wollen die mittelständischen Unternehmen im kommenden Halbjahr ihren Bedarf an Zeit- bzw. Leiharbeitskräften und einfachen Facharbeitern. Die Hälfte (50,4 %) bzw. ein Viertel (25,8 %) der befragten Betriebe benötigt weniger Arbeitskräfte als bisher aus diesen beiden Bereichen. Fachpersonal mit langjähriger Berufserfahrung wird dagegen auch in der aktuellen Krise gesucht. Ein Achtel der Unternehmen (12,6 %) plant weitere qualifizierte Mitarbeiter ein, 12,2 % werden aus diesem Teil der Belegschaft Stellen abbauen.
Knapp ein Viertel der Unternehmen (23,1 %) hat seine Mitarbeiterzahl im Verlauf der vergangenen sechs Monate verringert. Dabei ist ein Großteil des Stellenabbaus (etwa drei Viertel der wegfallenden Stellen) auf die weltweite Rezession zurückzuführen, die schon ein Sechstel der deutschen Unternehmen (16,8 %) zu Entlassungen zwang.
13,4 % der mittelständischen Betriebe konnten krisenbedingte Entlassungen vorerst vermeiden, auch wenn der Wirtschaftsabschwung bereits Auswirkungen auf die Personalpolitik hat. So mussten 47,1 % der betroffenen Unternehmen Abstriche an der Stammbelegschaft vornehmen. 22,6 % haben Zeitarbeitskräfte abgebaut. Um Entlassungen zu vermeiden, nutzen die Mittelständler rege den Abbau von Überstundenkonten (42,6 %) und die Möglichkeit der Kurzarbeit (31,7 %).
Für den Aufschwung nach der Krise haben die mittelständischen Unternehmen weiter einen hohen Bedarf an qualifizierten Fachkräften. Knapp ein Viertel der befragten Betriebe (23,4 %) gab an, in den kommenden Jahren mehr Fachpersonal zu benötigen, lediglich 8,2 % der Unternehmen werden sich diesbezüglich einschränken. Einen hohen Bedarf für die kommenden Jahre haben vor allem das Verarbeitende Gewerbe (28 %) und der Dienstleistungssektor (25,7 %).
(Creditreform/ml)