Das Zahlungsverhalten in Deutschland hat sich im Vergleich zum Sommer 2008 verschlechtert. Das zeigt eine aktuelle Umfrage des Kreditversicherers Atradius im Rahmen des jährlichen „Atradius Zahlungsmoralbarometers“. Danach beurteilen 55 % der befragten Unternehmen die inländische Zahlungsmoral als lediglich mittelmäßig. Zwar bewerten nur 8 % die deutsche Zahlungsmoral als schlecht, mittlerweile weicht die Zahlungsdauer (28 Tage) aber bereits vier Tage vom Zahlungsziel (24 Tage) ab. Noch im Sommer 2008 wurde mit nur einem Tag Differenz fast pünktlich gezahlt. Dennoch sind deutsche Unternehmen noch immer die pünktlichsten Zahler in Europa.Auch nach Einschätzung ausländischer Geschäftspartner ist die Zahlungsmoral deutscher Unternehmen schlechter als im Sommer 2008. So hat sich die Zahlungsdauer deutscher Unternehmen gegenüber ihren Lieferanten im Ausland um sieben Tage von 36 auf 43 Tage erhöht – eine Steigerung, die nur durch Italien und Südamerika übertroffen wird.
Gerade die kurzfristig zugenommene Zahlungsdauer hat erhebliche Auswirkungen. Michael Karrenberg, Leiter Risikomanagement bei Atradius Deutschland warnt: „Ein größeres mittelständisches Unternehmen hat bei nur einem Tag längerer Zahlungsdauer in sonst schnell zahlenden Abnehmerbranchen einen zusätzlichen Finanzbedarf von einer Million Euro pro Jahr und mehr.“
Allerdings müsse laut Karrenberg bei der Bewertung der deutschen Zahlungsmoral berücksichtigt werden, dass die europäischen Länder zum Teil deutlich unterschiedliche Zahlungsziele haben. Im europäischen Vergleich ist Deutschland bei der absoluten Zahlungsdauer noch immer am schnellsten und zuverlässigsten, denn hier liegt das durchschnittliche Zahlungsziel mit 24 Tagen zum Teil weit unter dem anderer Länder. So haben Unternehmen im zweitplatzierten Schweden bereits 30 Tage und Spanien als Schlusslicht 75 Tage Zeit, ihre Rechnungen zu begleichen. Unternehmen in Italien (11 Tage), Belgien (10 Tage) sowie in Frankreich und Großbritannien (jeweils 9 Tage) überschreiten die vereinbarten Zahlungsziele innerhalb ihrer Länder am deutlichsten.
Auf den ersten Blick überraschend sind die Ergebnisse der Zahlungsausfälle in den befragten neun europäischen Ländern. Im Befragungszeitraum Mitte Januar 2009 bis Mitte Februar 2009 sind die Zahlungsausfälle innerhalb eines Landes gegenüber dem Sommer 2008 lediglich in den Niederlanden, Belgien und Frankreich gestiegen. In Großbritannien, Spanien und Schweden dagegen sind sie sogar recht deutlich gesunken. Eine Entwarnung kann Risikoexperte Karrenberg aufgrund des Befragungszeitraums allerdings nicht geben, denn sie spiegeln die tatsächlichen Insolvenzfälle noch nicht wider. „Wir gehen davon aus, dass insbesondere im zweiten Halbjahr die Zahl der Insolvenzen stark steigen wird und dementsprechend auch die Zahlungsausfälle deutlich zunehmen“.
Je nach Land ergreifen 56 bis 70 % aller Unternehmen Maßnahmen zum Schutz vor Forderungsausfällen. Dabei setzen mit 45 % der befragten Unternehmen die meisten auf Vorkasse. Dahinter folgt mit 35 % die Kreditversicherung.
Für die Studie „Atradius Zahlungsbarometer“ wurden zwischen dem 20. Januar und dem 11. Februar 2009 rund 1800 leitende Mitarbeiter aus Unternehmen in Belgien, Dänemark, Frankreich, Deutschland, Großbritannien, Italien, Niederlanden, Spanien und Schweden online befragt. Die Studie steht als kostenloser Download im Internet zur Verfügung.
(ots/ml)