Wenn unterschiedlich leistungsstarke Mitarbeiter nicht nur zusammenarbeiten, sondern eine starke soziale Bindung untereinander besitzen – z. B. befreundet sind – kann das die Leistung der schwächeren Mitglieder der Gruppe deutlich steigern. Allerdings sinkt im Gegenzug die Leistung der Stärkeren. In der Summe können Betriebe dennoch davon profitieren. Das ergab ein umfangreicher Feldversuch britischer und amerikanischer Wissenschaftler. Die zugehörige Studie ist jetzt beim Bonner Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) erschienen.Wie die Studie zeigt, stieg die Produktivität leistungsschwächerer Arbeitskräfte um 10 %, wenn sie im direkten Umfeld ihrer Freunde eingesetzt wurden. Umgekehrt reduzierten zwar die produktiveren Kollegen ihre eigene Leistung, wenn sie während der Arbeit in direktem Kontakt mit schwächeren Freunden standen, doch für das Unternehmen ergab sich insgesamt ein positiver Produktivitätseffekt.
Anhand von Personaldaten eines britischen Obstbaubetriebs analysierten die Forscher die Arbeitsleistung der Beschäftigten. Zudem befragten sie die Betriebsangehörigen, mit welchen Kollegen sie freundschaftliche Kontakte pflegen. Aus organisatorischen Gründen wechselte der Einsatzbereich jedes Arbeiters täglich, so dass befreundete Kollegen nur an bestimmten Tagen in Sichtweite zusammenarbeiten konnten. War dies der Fall, zeigte sich ein erstaunlicher Effekt: Die leistungsschwächeren Freunde legten sich besonders ins Zeug und pflückten etwa 10 % mehr Obst als an anderen Tagen. Geübtere Pflücker passten hingegen ihre Arbeitsgeschwindigkeit dem langsameren Tempo ihrer Freunde an und nahmen dadurch sogar Lohneinbußen von bis zu 10 % in Kauf.
Da die Arbeiter einen individuellen Stücklohn erhielten, hatte ihre eigene Produktivität – anders als etwa bei Gruppenlöhnen oder Leistungswettbewerben – keinen positiven oder negativen Einfluss auf die Bezahlung der Kollegen. So konnten die Forscher ausschließen, dass finanziell motivierter Leistungsdruck ausschlaggebend ist.
Als Erklärung für die beobachteten Veränderungen der Produktivität führen die Verhaltensökonomen an, dass vor allem Freunde gemeinsame Arbeitsnormen entwickeln, die zwischen dem Leistungsniveau der stärksten und schwächsten Gruppenmitglieder liegen. Hierbei spielt die räumliche Nähe befreundeter Kollegen eine bedeutende Rolle, da von ihr abhängt, wie intensiv die Beschäftigten ihre sozialen Kontakte auch während der Arbeit pflegen können. Das gilt besonders für die in der Studie analysierten Obstpflücker, die durch ihr Arbeitstempo die Entfernung zu den Kollegen beeinflussen können.
Für das Unternehmen ist der Gesamteffekt prinzipiell schwer vorherzusagen, zumal Produktivitätssteigerungen einiger Beschäftigter mit Leistungseinbußen anderer einhergehen. Im Feldversuch ermittelten die Wissenschaftler allerdings einen insgesamt positiven Effekt: Wäre es organisatorisch möglich gewesen, Freunde stets zusammen einzusetzen, hätte der Betrieb insgesamt rund 3 % mehr Umsatz erwirtschaftet.
„Natürlich lassen sich die Ergebnisse nicht auf jeden Betrieb und jede Arbeitsform übertragen“, erklärt Iwan Barankay von der University of Pennsylvania, der die Studie mitverfasst hat. „Die Beobachtungen legen aber nahe, dass soziale Anreize neben finanziellen Anreizen zur Leistungssteigerung beitragen können und daher bei der Entwicklung eines optimalen Entlohnungsmodells berücksichtigt werden sollten.“
Die (englischsprachige) Studie, die demnächst in der Fachzeitschrift Review of Economic Studies erscheint, steht als kostenloser Download online zur Verfügung. (idw/ml)