Deutschland behauptet sich auch in Zeiten der Krise als attraktivster Investitionsstandort Europas, da nach Meinung internationaler Manager Deutschland die Krisenprobleme besser bewältigen kann, als andere Länder. Das ergab die brandneue Studie „European Attractiveness Survey“ der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young. Im Ranking der Studie belegt der Standort Deutschland in Europa Platz 1 und weltweit Platz 6. Für die Studie wurden rund 800 internationale Entscheidungsträger zur Attraktivität des Wirtschaftsraums Europa befragt. Darüber hinaus wurden mehr als 200 ausländische Unternehmen vertieft zum Standort Deutschland befragt.Trotz der Wirtschaftskrise hat Deutschland in der diesjährigen Studie seine Platzierung vom vergangenen Jahr behauptet. Tatsächlich heben die Manager in ihrem Urteil hervor, dass Deutschland mit den Herausforderungen durch die Krise besser umgehe als die übrigen europäischen Länder.
Bei den meisten Standortfaktoren schneidet Deutschland jetzt noch positiver ab als im Vorjahr. Sehr gut werden die Infrastruktur (Telekommunikation sowie Transport und Logistik), das soziale Klima, die Qualifikation der Arbeitskräfte und die Lebensqualität bewertet.
Mit Blick auf die weitere Entwicklung des Standorts gehen 37 % der Befragten von einer weiter wachsenden Attraktivität des Standorts in den kommenden drei Jahren aus. 86 % der Befragten äußerten sich zuversichtlich, dass Deutschland die Fähigkeit zur Bewältigung der Krise habe. Das traue man Deutschland gerade wegen seiner Innovationsfähigkeit und seines Unternehmensgeistes zu. Weiter wurden sektorspezifisches Know-how, die Existenz großer Industriegruppen sowie die Stabilität des Bankensektors und die staatlichen Hilfen für Unternehmen als entscheidende Standortvorteile genannt.
Entsprechend verzeichnet Deutschland eine deutlich positive Entwicklung bei den ausländischen Direktinvestitionen: Um 28 % ist die Zahl der Investitionsprojekte im Jahr 2008 angestiegen. Peter Englisch, Partner bei Ernst & Young und Autor der Studie, führt das positive Abschneiden Deutschlands auf den Umgang mit früheren Herausforderungen zurück: „Möglicherweise genießt Deutschland bei ausländischen Unternehmen ein so hohes Vertrauen, weil der Standort in den vergangenen Jahren gezeigt hat, dass er schwierige Situationen erfolgreich meistern kann“, sagte Englisch und nannte als Beispiele die Bewältigung der deutschen Vereinigung, aber auch der Abbau des Haushaltsdefizits, die Agenda 2010 oder die Senkung der Lohnstückkosten.
Im internationalen Standortranking steht Deutschland – wie schon im Vorjahr – auf Platz 6 der attraktivsten Standorte. Die Liste wird angeführt von China, den USA und Indien vor Russland, Brasilien und Deutschland. Die aktuellen Ergebnisse belegen auch eine Trendwende: Anders als in den Vorjahren, in denen die Schwellenländer an Attraktivität zulegen konnten, geht jetzt Westeuropa gestärkt aus der Umfrage hervor. 40 % der Befragten bezeichneten Westeuropa als einen der führenden Investitionsstandorte weltweit. Im Vergleich: 2008 hatten sich nur 33 % der Befragten so geäußert. Für ausländische Investitionen ist Westeuropa damit wieder die attraktivste Region weltweit.
Dagegen mussten gerade China und Indien deutliche Einbußen in der Gunst der Unternehmen hinnehmen. Nannten im Vorjahr noch 47 % der befragten Manager China als Top-Standort, verringerte sich die Zahl in der aktuellen Umfrage auf 33 %. Indien rutschte von 30 % im Jahr 2008 auf jetzt 20 % ab.
Die von den Managern in der Umfrage gefühlte Attraktivität des Standorts Deutschland deckt sich nach Angaben von Ernst & Young jedoch nicht ganz mit den für die Studie erhobenen Zahlen zu Direktinvestitionen ausländischer Unternehmen in Europa. Danach konnte Deutschland 2008 nur 10 % der ausländischen Direktinvestitionen in Europa auf sich vereinigen. Damit lag Deutschland mit deutlichem Abstand hinter Großbritannien (Marktanteil: 18 %) und Frankreich (14 %). Anders als diese Länder konnte Deutschland aber einen deutlichen Zuwachs um 28 % bei der Zahl der Investitionsprojekte verzeichnen. Und die Zahl der bei diesen ausländischen Investitionen geschaffenen Arbeitsplätze verdoppelte sich sogar fast: Sie stieg von knapp 6000 im Jahr 2007 auf 11400 im vergangenen Jahr.
Das relativ schwache Abschneiden Deutschlands in dieser Statistik ist zum Teil auf Probleme bei der Erfassung von Investitionsprojekten zurückzuführen: „Wir haben in Deutschland im Bereich der Direktinvestitionen eine hohe Dunkelziffer. Das liegt nicht zuletzt daran, dass wir eine andere Offenlegungskultur haben, eine wesentlich schlechtere als beispielsweise die angelsächsischen Länder. Viele Investitionsprojekte bleiben unveröffentlicht,“ kritisiert Peter Englisch. (Germany Trade & Invest/Ernst & Young /ml)