Am vergangenen Freitag beschlossen die am EU-Gipfel in Brüssel teilnehmenden Staats- und Regierungschefs eine weitgehende Reform der europäischen Finanzaufsicht. Im Zentrum standen die Vorschläge von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso, zwei neue Gremien zu installieren (wir berichteten bereits darüber). So sollen die drei bereits existierenden EU-Aufsichtsgremien für Banken, Versicherungen und den Wertpapierhandel zu Behörden werden und durch eine Vernetzung mit nationalen Behörden ein europäisches Finanzaufsichtssystem (European System of Financial Supervisors, ESFS) bilden.Die zweite Säule wird ein bei der Europäischen Zentralbank (EZB) angesiedelter neuer Europäischer Rat für Systemrisiken (European Systemic Risk Board, ESRB) bilden. Dieser soll die Stabilität des Finanzsystems überwachen und bewerten. Ein Fall für das Eingreifen des ESRB wäre z. B. eine ins Trudeln geratene große Bank, die damit weitere Banken gefährdet.
Der Beschluss des EU-Gipfels enthält allerdings einige Kompromisse, die vor allem auf Druck von Großbritannien zustande kamen. Besonders die potenzielle Stärkung der EZB durch den ESRB scheint den Briten aufzustoßen. Immerhin erreichten sie mit dem Gewicht des Finanzplatzes London im Rücken, dass die konkrete Ausgestaltung der Rolle der EZB im Rat für Systemrisiken auf den Herbst verschoben wurde.
Es gelang Großbritannien darüber hinaus, die Macht des ESFS zu beschränken. So legte der Gipfel fest, dass Entscheidungen des Europäisches Finanzaufsichtssystems keine Auswirkungen auf die nationalen Haushalte haben darf.
Insgesamt bleiben die EU-Mitgliedsstaaten in Angelegenheiten der Finanzaufsicht durch den bremsenden Einfluss Großbritanniens auch weiterhin relativ autark – allerdings um den Preis eingeschränkter Effizienz. Dies ist vor dem Hintergrund der traurigen Rolle, die gerade der Finanzplatz London bei der Entstehung der aktuellen Krise in Europa spielte, im Sinne der Anleger eher zu bedauern. (ml)