In einigen Gebieten Deutschlands leiden Unternehmen nicht nur unter der Krise, sondern bereits heute unter zu wenig Nachwuchs. So verzeichnete die Bundesagentur für Arbeit Ende Mai 2009 in Ostdeutschland 27 % weniger Lehrstellenbewerber als ein Jahr zuvor. In fünf der 37 Arbeitsagenturbezirke wurden bereits weniger Bewerber als betriebliche Ausbildungsstellen registriert. Besonders imageschwache oder imagegeschädigte Branchen leiden unter dem Rückgang. Aber die rückläufigen Zahlen sind Vorboten eines Problems, das in naher Zukunft ganz Deutschland treffen wird.Aufgrund der demografischen Entwicklung werden es die Betriebe deutlich schwerer haben, Nachwuchs zu rekrutieren. „Allerdings werden nicht alle Berufe gleich stark davon betroffen sein“, so Manfred Kremer, Präsident des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB). „Maßgeblich ist hier das Image der Berufe, denn das spielt für die zu erwartenden Bewerberzahlen eine wichtige Rolle.“
Ausbildungsberufe wie Gestalter für visuelles Marketing, Mediengestalter Digital und Print, Tierpfleger oder auch Fotograf sind bei den Jugendlichen weiterhin sehr gefragt – und dies wird nach Einschätzung des BIBB auch so bleiben. Große Nachwuchsprobleme haben dagegen bereits heute verschiedene Ausbildungsberufe im gewerblichen Bereich – vor allem im Reinigungsgewerbe und im Nahrungsmittelhandwerk. Aber auch in den Gastronomieberufen sieht es nicht besonders gut aus. In manchen Berufen entfielen Ende Mai noch nicht einmal 50 Bewerber auf 100 Ausbildungsstellen.
Nur zum Teil hängt die geringe Nachfrage damit zusammen, dass den Jugendlichen das Interesse an den für die Berufe typischen Arbeiten fehlt. Dies ergab eine Befragung des BIBB unter Schülerinnen und Schülern aus den höheren Klassen der allgemeinbildenden Schulen. Eine wichtige Rolle spielt dagegen, wie anerkannt die Berufe aus Sicht der Jugendlichen in unserer Gesellschaft sind.
Nach Meinung der Jugendlichen genießen vor allem jene Berufe ein hohes Ansehen, deren Berufsangehörige als überdurchschnittlich gebildet, intelligent, einkommensstark und ehrgeizig gelten. Tugenden wie Geschicklichkeit, körperliche Fitness, Fleiß, Kontaktfreudigkeit und auch Selbstlosigkeit spielen dagegen aus Sicht der Jugendlichen für das Ansehen eines Berufes keine große Rolle. Die Folge: Büroberufe mit kreativer Tätigkeit gelten als besonders imageförderlich und sind unter den Jugendlichen dementsprechend begehrt. Berufe, bei denen körperliche Arbeit, manuelles Geschick und soziale Tätigkeiten im Vordergrund stehen, haben das Nachsehen.
Das Grundproblem – die offenbar unzureichende Würdigung der Arbeit in einigen gewerblich-industriellen Berufen – kann durch neue Ausbildungsordnungen bzw. neue Berufsbezeichnungen allerdings nur bedingt gelöst werden. Hier ist ein allgemeiner Bewusstseinswandel erforderlich. Dabei können die Medien entscheidend helfen – und sei es durch Unterhaltungsserien im Fernsehen, deren Helden das Bild von Berufen wandeln können, wie in der Vergangenheit schon einige Male geschehen.
Ein ausführlicher Beitrag zur Bedeutung des Berufsimages als Berufswahlkriterium steht als kostenloser Download zur Verfügung.
(BIBB/ml)