Der Bundesgerichtshof (BGH) hat ein Urteil zur Informationspflicht der Banken gegenüber ihren Kunden gefällt, das auf den ersten Blick etwas umständlich begründet zu sein scheint, bei genauer Betrachtung aber die Position von Bankkunden deutlich mehr stärkt, als das urspüngliche Urteil im Sinne der Kläger es getan hätte. Der BGH hatte über Schadensersatzansprüche zu entscheiden, die von zwei Anlegern gegenüber einer Bank wegen angeblicher Schlechterfüllung der Informations- und Beratungspflichten geltend gemacht wurden. Die Kläger drohten einen Teil ihrer Einlage durch die Insolvenz ihrer Bank zu verlieren.Die beiden Kläger unterhielten bei der BFI Bank AG Spareinlagen in Form von Sparbriefen sowie Festgeld von jeweils weit mehr als 20.000 Euro. Im Juli 2003 wurde die Bank insolvent. Was den Klägern beim Abschluss ihrer Anlageverträge mit der Bank nicht bewusst war: Die BFI Bank war nicht dem Einlagensicherungsfonds des Bundesverbandes Deutscher Banken angeschlossen. Deshalb waren Kundeneinlagen nur entsprechend dem Einlagensicherungs- und Anlagenentschädigungsgesetz bis 20.000 Euro abgesichert (wir berichteten über das Thema bereits im Zusammenhang mit einer Neuregelung dieser gesetzlichen Absicherung). Die Bank hatte zwar in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBs) auf die lediglich gesetzliche Absicherung hingewiesen, nicht jedoch im Kundengespräch.
Den überschießenden Betrag ihrer Einlagen meldeten die Kläger zur Insolvenztabelle an und erhielten vom Beklagten, der Bank, darauf Abschlagszahlungen von ca. 30 %. Wegen ihres restlichen Schadens verlangten sie daraufhin auf dem Wege einer Klage – ebenso wie etwa 80 weitere geschädigte Anleger – von der beklagten BFI Bank die restliche Zahlung aus einer bestehenden Haftpflichtversicherung der Bank für Vermögensschäden. Sie begründeten die Klage damit, dass die insolvente Bank ihrer Pflicht nach § 23a Abs. 1 des Kreditwesengesetzes nicht nachgekommen sei. Dieses Gesetz verlangt, dass Banken ihre Kunden „in leicht verständlicher Form“ über die für die Einlagensicherung geltenden Bestimmungen einschließlich Umfang und Höhe der Sicherung zu informieren sind.
§ 23 Abs. 1 Satz 2 KWG i. d. F. vom 1. August 1998:
Das Institut hat ferner Kunden, die nicht Institute sind, vor Aufnahme der Geschäftsbeziehung schriftlich in leicht verständlicher Form über die für die Sicherung geltenden Bestimmungen einschließlich Umfang und Höhe der Sicherung zu informieren.
Die erste Klageinstanz, das Landgericht Dresden, hat den Klagen im Wesentlichen stattgegeben. Die insolvente Bank ging daraufhin in Revision. Diese fand vor dem Oberlandesgericht Dresden statt, das das Urteil des Landgerichts aufhob und die Klage gegen die Bank abwies. Nun gingen die Kläger ihrerseits in Revision und landeten damit vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe. Dieser hob nun seinerseits das Berufungsurteil des Oberlandesgerichts auf und verwies die Sache zur neuen Entscheidung und Verhandlung an das Oberlandesgericht zurück.
Interessant ist die Begründung des BGH für die Rückverweisung: Der XI. Zivilsenat hat nämlich einerseits die Auffassung des Oberlandesgerichts bestätigt, dass die beklagte Bank nicht gegen ihre Informationspflicht nach § 23a Abs. 1 Satz 2 KWG verstoßen habe, denn die Forderung nach einer Information in leicht verständlicher Form über die Sicherung sei auch dann erfüllt, wenn die Information – wie im zu entscheidenden Fall – in den AGBs des Kreditinstituts erteilt und der Kunde hierauf gesondert hingewiesen wurde. Außerdem habe der Kunde zu beweisen, dass die Bank ihrer Informationspflicht nicht nachgekommen ist, nicht umgekehrt. Dieser Beweis sei den Klägern aber auch nach Auffassung des BGH nicht gelungen. Genau dieser Punkt war der Kern der Begründung des Oberlandesgerichts für die Aufhebung des ursprünglichen Urteils.
Aber anders als die zweite Instanz, das Oberlandesgericht, sah das BGH einen Verstoß gegen die Beratungspflichten. Er entschied, dass eine Bank bei Zustandekommen eines Beratungsvertrages einem Kunden, der ein besonderes Interesse an der Nominalsicherheit einer Geldanlage offenbart hat, keine Einlage bei ihr selbst empfehlen darf, wenn bei ihr nur die gesetzliche Mindestdeckung nach dem Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz besteht.
Bedeutung des Urteils: Diese Begründung ist in seinen langfristigen Auswirkungen erheblich umfassender im Sinne der Bankkunden wirksam, als wenn nur die Informationspflicht für die Aufhebung des zweitinstanzlichen Urteils herangezogen worden wäre. Denn es besagt nichts Geringeres, als dass Banken – aufgrund der Beratungspflicht – keine (auch keine eigenen) Produkte empfehlen dürfen, die dem geäußerten Kundenwunsch widersprechen – und zwar selbst dann, wenn die Bank durch Besonderheiten ihrer Geschäftsgrundlagen diesen Wunsch nicht erfüllen kann.
Das aber gilt unabhängig von irgendeiner Information, sei es in den AGBs oder wo auch immer, denn es handelt sich um keine Informations- sondern um eine Beratungspflicht. Anders ausgedrückt: Der Kunde muss keine AGBs durchforsten, wenn er Wert auf bestimmte Produkteigenschaften legt, sondern seinen Wunsch im Gespräch mit dem Berater lediglich unmissverständlich formulieren. Ein allgemein gehaltener Hinweis des Beraters auf die AGB oder andere Informationen der Bank entlässt die Bank nach diesem Urteil in Zukunft nicht mehr aus der Pflicht, eventuell sogar von eigenen Produkten abzuraten, wenn diese dem Kundenwunsch nicht genügen.
Die Entscheidung des BGH bedeutet für den konkreten Fall insoweit kein abschließendes Urteil, als es lediglich den Rahmen für eine erneute Prüfung und eine abschließende Entscheidung durch das Oberlandesgericht abgesteckt hat, da es die konkreten Voraussetzungen seinerseits nicht prüfte. Das berührt jedoch nicht die allgemeine Bedeutung der Entscheidung für die Konsumentenrechte gegenüber Banken.
(BGH/ml)
Urteile/Beschlüsse zum Fall:
- LG Dresden, Urteile vom 16. August 2007 –
9 O 3931/06 und 9 O 3932/06- OLG Dresden, Urteile vom 16. April 2008 –
8 U 1543/07 und 8 U 1544/07- BGH, Urteile vom 14. Juli 2009 –
XI ZR 152/08 und XI ZR 153/08