Angesichts der Finanzkrise sowie einer steigenden Ungleichverteilung der Vermögen werde in Politik und Öffentlichkeit der Ruf nach einer Reichensteuer lauter, stellt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin (DIW) fest. Tatsächlich besteuere Deutschland die Vermögen im internationalen Vergleich niedrig. Vor allem über die Grund- und die Erbschaftsteuer ließe sich das Steueraufkommen nennenswert steigern, glaubt das Berliner Institut. Schon eine Anhebung auf den EU-Durchschnitt könne zusätzliche 25 Milliarden Euro einbringen, errechnet DIW-Steuerexperte Stefan Bach. Aber das könnte auch ungewollte Nebeneffekte erzeugen.Ein großes Potenzial für ein höheres Steueraufkommen sieht DIW-Steuerexperte Stefan Bach in der Grundsteuer und der Erbschaftsteuer. „Die Grundsteuer ist für Gemeinden eine wichtige Einnahmequelle, die in vielen Ländern eine größere Rolle als bei uns spielt“. Sie orientiere sich in Deutschland an völlig veralteten Immobilienwerten aus dem Jahr 1964, in Ostdeutschland sogar von 1935. Da sich die Werte für Grundstücksarten, Wohnlagen oder Regionen seitdem erheblich geändert habe, sei eine Neubewertung dringend notwendig. Bei der Gelegenheit könnte man zwar die Grundsteuer stärken, glaubt Stefan Bach. „Dies würde allerdings die Wohnkosten erhöhen und damit die ärmeren Haushalte gemessen am Einkommen stärker treffen als die Besserverdiener.“
Dagegen konzentrieren sich Steuern auf das persönliche Gesamtvermögen oder auf Erbschaften gezielt auf die Wohlhabenden, sofern sie hohe Freibeträge vorsehen. Aktuelle Vorschläge zur Vermögensteuer oder zu Vermögensabgaben sehen Freibeträge von 500.000 Euro vor. Bei einem Steuersatz von 1 % könnten solche Abgaben bis zu 21 Milliarden Euro erzielen, prognostiziert Bach, schränkt aber sogleich ein: Bezogen auf die Vermögenserträge bedeute dies eine erhebliche Zusatzbelastung, die sich negativ auf Kapitalbildung und Investitionen auswirken und Steuerfluchten ins Ausland begünstigen könnte.
Die jüngste Reform der Erbschaftsteuer zeigt, dass eine starke Zusatzbelastung der Wohlhabenden zahlreiche Ausnahmeregelungen nach sich zieht. „Bei gleichem Aufkommen ist das Steuerrecht deutlich komplizierter geworden“, sagte Bach. Außerdem sei es generell schwierig, Vermögen richtig zu bewerten. Für die meisten Immobilien oder Betriebe gebe es keinen objektiv nachprüfbaren Marktwert.
Vereinfachende Bewertungsverfahren weisen wiederum erhebliche Fehlerspannen auf. Dieses Problem verschärfe sich bei hohen Steuersätzen. „Vermögensteuern scheinen nur eine Chance zu haben, wenn man sie durch niedrige Freibeträge auf eine breite Basis stellt und im Gegenzug die Steuersätze moderat hält“, sagte Bach. Dann reichen die Mehrbelastungen aber bis weit in die Mittelschicht hinein. Dagegen könne schon ein Abbau von Ausnahmeregeln bei der Gewinn- und Einkommensbesteuerung das Steueraufkommen erhöhen.
Wenn man die Reichen unbedingt zusätzlich belasten wolle, solle man eher bei den Erträgen als beim Vermögen ansetzen, rät Bach. Etwa auch, indem man die Gewinn- und Kapitalsteuersätze wieder leicht anhebe. Damit widersetze man sich allerdings dem Trend im internationalen Steuerwettbewerb, die Steuersätze schrittweise zu senken.
Umfassend widmet sich die Ausgabe 30/2009 des „Wochenberichts“ des DIW der Thematik. Die Publikation steht als kostenloser Download im Internet zur Verfügung.
(DIW/ml)