Musikportal liefert Beispiel für faires Kaufverhalten

Ausgerechnet in der Musik-Downloader-Szene, dem Schreckgespenst der Musikindustrie, haben die beiden Forscher Tobias Regner vom Jenaer Max-Planck-Institut für Ökonomik und Javier A. Barria vom Imperial College London ein Musterbeispiel für faires Kaufverhalten entdeckt: Magnatune. Die Nutzer des Online-Musik-Labels bezahlen nämlich regelmäßig mehr als das vom Musikunternehmen geforderte Minimum und bestätigen damit, was Ökonomen in immer wieder feststellen: Soziale Präferenzen können Menschen dazu bewegen, auf ihren finanziellen Vorteil zu verzichten.Tobias Regner und Javier A. Barria haben das Zahlungsverhalten der Magnatune-Kunden im Detail analysiert. Der Datensatz umfasst alle Onlineverkäufe, die von der Gründung des Online-Musik-Label Magnatune 2003 bis zum Januar 2005 stattgefunden haben. Nach eigenen Angaben schreibt Magnatune mittlerweile schwarze Zahlen. Bei dem Label stehen rund 200 zumeist weniger bekannte Interpreten unter Vertrag. Sie erhalten 50 % der Erlöse. Den Preis für die Alben bestimmten die Kunden innerhalb einer Preisspanne zwischen 5 und 18 Dollar selbst. Magnatune empfiehlt einen Preis von 8 Dollar, der auch als Standardwert voreingestellt ist. Der durchschnittlich bezahlte Preis beträgt – trotz Voreinstellung – jedoch 8,20 Dollar und liegt damit 64 % über dem geforderten Minimum.

Einen möglichen Erklärungsansatz für die Großzügigkeit der Kunden sehen die Forscher im Konzept der Gegenseitigkeit. „Magnatune gewährt – anders als die großen, etablierten Anbieter des digitalen Marktes – bereits vor Kauf freien und uneingeschränkten Streamingzugriff auf die angebotenen Alben“. Interessenten haben also Gelegenheit, sich vor dem Kauf umfassend zu informieren und müssen ihre Entscheidung nicht aufgrund einer kurzen Hörprobe treffen, wie dies sonst der Fall ist. Magnatune geht damit zwar das Risiko ein, für die eigene Leistung keine Gegenleistung zu erhalten. Zugleich erhalten die Kunden aber auch die Gelegenheit, sich selbst großzügig zu zeigen und das Gleichgewicht aus Gegenleistung und Leistung wieder herzustellen, indem sie mehr als das geforderte Minimum bezahlen.

Der Onlinekauf der Alben kann anonym erfolgen. Eine Verbindung zwischen Kaufverhalten und bestimmten soziodemografischen Merkmalen ist daher nicht möglich. Erwartungsgemäß bezahlen Kunden, die anonym bleiben unterdurchschnittlich wenig. Keinen Einfluss auf die Zahlungsbereitschaft scheint das Geschlecht zu haben, allerdings war der Anteil der weiblichen Kunden mit rund 10 % recht gering. Die Festsetzung des Kaufpreises durch die Kunden ist dabei nicht zufällig, sondern weist individuell, konstante Muster auf. Unter den Mehrfachkunden lassen sich vier Typen beschreiben:

  1. Kunden, die regelmäßig den empfohlenen Preis von acht Dollar bezahlen.
  2. Kunden, die lediglich das geforderte Minimum bezahlen.
  3. Kunden, die durchgehend mehr als die empfohlenen acht Dollar bezahlen und
  4. solche, bei denen die Zahlungsbereitschaft über die Zeit sinkt.

Verschiedene Tests weisen zudem darauf hin, dass das Zahlungsverhalten der Kunden sehr sensibel auf die Festsetzung der Preisspanne und des empfohlenen Kaufpreises durch den Anbieter reagiert.

Um sicher zu gehen, dass wirklich die Gegenseitigkeit und kein anderes Motiv für die Zahlungen verantwortlich ist, haben die beiden Wissenschaftler Magnatune-Kunden, die mehr als zehn Alben gekauft haben, nach ihren Motiven befragt. „Die Ergebnisse bestätigen, dass Gegenseitigkeit ein zentrales Motiv ist.“ Weitere Studien und Experimente sollen nun klären helfen, inwieweit eine offene Vertragsgestaltung ein Modell auch für andere – insbesondere etablierte – Anbieter digitaler Musik sein kann und in welchen Marktsegmenten dieses Modell am besten funktionieren dürfte.

(idw/ml)