Das Vertrauen in die Wirtschaft hat sich stabilisiert und verzeichnet in einigen der größten Märkte weltweit eine signifikante Erholung. Zu diesem Ergebnis kommt das Edelman Trust Barometer in einer Nachuntersuchung, für die knapp 1700 Meinungsführer in sechs Ländern zu ihrem Vertrauen in die Institution Wirtschaft befragt wurden. Ein Vergleich der aktuellen Befunde mit den im Januar dieses Jahres veröffentlichten Werten offenbart einen signifikanten Vertrauenszuwachs.Demnach ist knapp die Hälfte der Meinungsführer (48 %) in den Vereinigten Staaten überzeugt, dass die Wirtschaft die richtigen Maßnahmen ergreift, gegenüber nur 36 % im Januar. In Deutschland sind die Vertrauenswerte überraschenderweise noch höher. Hier trauen 46 % der Befragten der Wirtschaft bzw. den Unternehmen zu, auf dem Weg aus der Krise eine führende Rolle zu übernehmen. Dies ist ein höherer Wert als in den USA (43 %) und sogar deutlich höher als in Großbritannien (37 %) oder Frankreich (34 %). Die im Januar 2009 veröffentlichten Ergebnisse der Studie zeigten noch einen katastrophalen Vertrauensverlust auf dem privaten Sektor.
Klarer Gewinner in Deutschland ist gemäß der globalen Umfrage jedoch die Regierung. Vertrauten im Frühjahr der Politik lediglich 36 % sind es nunmehr 44 % der Befragten. Damit hat die Regierung fast das beständig hohe Vertrauensniveau von NGOs (Non-Governmental Organizations) erreicht (46 %). Das Vertrauen in die Wirtschaft insgesamt bleibt dennoch traditionell niedrig (39 %), konnte aber seit dem Frühjahr 5 Prozentpunkte zulegen und mit den Medien gleichziehen.
International ist das Vertrauen aber noch nicht überall wirklich zurückgewonnen. In den Vereinigten Staaten beschreiben nur 30 % der Befragten die allgemeine Reputation großer multinationaler Unternehmen als entweder gut oder ausgezeichnet, verglichen mit 52 %, die diese als mittelmäßig oder schlecht bezeichnen. Die Zahlen für Großbritannien, Frankreich und Deutschland (22 % bzw. 55 %) sind ähnlich.
„Die Erwartungen an die Wirtschaft haben zugenommen und ersetzen Milton Friedmans berühmte Behauptung von 1970, dass die soziale Verantwortung der Wirtschaft darin liegt, höhere Gewinne zu erzielen“, so Richard Edelman, CEO von Edelman. „Die Welt dreht sich um die Stakeholder und nicht die Shareholder.“ Die wichtigsten Stakeholder (die Menschen, die im Wirkungsfeld eines Unternehmens auf dieses Einfluss nehmen) sind Kunden (70 %), gefolgt von Mitarbeitern (58 %) und Investoren (49 %), so das Ergebnis der Edelman-Studie.
„Die Daten zeigen, dass die Wirtschaft dann auf der Gewinnerseite ist, wenn sie sich den großen gesellschaftlichen Problemen stellt und sich in der privatwirtschaftlichen Diplomatie engagiert“, so Neal Flieger, Vorsitzender der Marktforschungsfirma StrategyOne, die die globale Umfrage durchgeführt hat. Meinungsführer legen großen Wert auf die Verpflichtung von Wirtschaftsunternehmen, Lösungen für globale Probleme wie die weltweite Klimaerwärmung, Energiekosten und Zugang zu bezahlbarer medizinischer Versorgung zu finden, geben jedoch an, die Wirtschaft habe sich nicht genug bemüht, Lösungen für diese Probleme zu finden (71 %, 70 % bzw. 64 %).
Indien und China zeigen hinsichtlich der Wirtschaft die positivste Einstellung. Mit 75 % verzeichnet Indien von allen sechs befragten Ländern das höchste Vertrauen in die Wirtschaft, gefolgt von China mit 60 Prozent, wobei die Befragten angaben, sie wären überzeugt, die Wirtschaft wüsste schon, was zu tun sei. In China und Indien gaben 96 % bzw. 81 % der Meinungsführer an, dass sich ihr Land in die richtige Richtung bewegen würde, gegenüber 47 % der Amerikaner und Deutschen, 37 % der Briten und 31 % der Franzosen.
Ein anderer deutlicher Gegensatz zum Westen besteht darin, dass fast sieben von zehn Meinungsführern in Indien und China die Reputation großer multinationaler Unternehmen als gut oder ausgezeichnet bewerten, gegenüber nur 30 % der Amerikaner, 29 % der Deutschen, 24 % der Franzosen und nur 13 % der Briten.
Nach einem erheblichen Vertrauensverlust im Januar 2009 hat das Vertrauen in der jüngeren Bevölkerung bei den 25- bis 34-Jährigen wieder zugenommen. In den Vereinigten Staaten gaben 58 % in dieser Altersgruppe an, sie hätten Vertrauen in das richtige Handeln der Wirtschaft, was einem Zuwachs von 26 Punkten und somit fast dem Höchstwert von 60 % im Januar 2008 entspricht. Auch in Deutschland war in dieser Altersgruppe mit einer Erhöhung um 16 Punkte in sechs Monaten ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen.
Das Vertrauen in alle, im Barometer routinemäßig untersuchten, bedeutendsten Industriezweige stieg in weitestgehend allen untersuchten Ländern, wobei die Technologie aktuell um 15 Punkte vor dem nächsten vertrauenswürdigsten Industriezweig – Biotech/Life Sciences – liegt. 89 % der befragten Meinungsführer gaben an, sie hätten Vertrauen in Unternehmen, die durch Investition in Forschung und Entwicklung bessere Innovationen vorantreiben. Angeschlagene Sektoren wie Banken, Automobil und Versicherung konnten sich in dem Zeitraum stabilisieren. In China und Indien sind die Banken die Nummer zwei der vertrauenswürdigsten Industriezweige. In den USA konnte das Vertrauen in jede Branche einen zweistelligen Zuwachs verzeichnen, mit Ausnahme des Technologiesektors, der sich bereits auf hohem Niveau befand und dennoch um weitere acht Punkte (von 72 % auf 80 %) stieg. Das Vertrauen in die Pharma- und Automobilbranche verzeichnete einen sprunghaften Anstieg um jeweils 14 Punkte von 39 % auf 53 % und von 32 % auf 46 %.
In Deutschland ergibt sich ein anderes Bild. Trotz des leichten Vertrauenszuwachses in die Wirtschaft im Allgemeinen haben die wichtigen Industriezweige in Deutschland weiterhin an Vertrauen verloren. Die Technologiebranche übernimmt mit 58 % (65 % im Frühjahr) die Führung vor dem Einzelhandel (heute 54 %; Frühjahr: 66 %). Die Bankenindustrie hat seit dem Frühjahr nochmals an Vertrauen verloren (minus 5 %) und wechselt mit 18 % die Energiebranche als Schlusslicht ab. Die größten Verluste (-16 %) mussten die Konsumgüterindustrie und die Unterhaltungsbranche verzeichnen. Die Energieindustrie konnte sich in derselben Zeit um plus 13 % deutlich verbessern und liegt nun mit 33 % im Mittelfeld.
In Zeiten der Rezession ist der Kostenfaktor nur unwesentlich wichtiger als das Vertrauen, wenn es um die Produktwahl der Konsumenten geht. Hierbei geben 53 % der Befragten an, dass sie in den vergangenen sechs Monaten zu günstigeren Marken gewechselt hätten, und 45 Prozent, dass sie aufgrund des Vertrauensverlustes zu einer anderen Marke gewechselt hätten. „Vertrauen ist heute ein konkreter Faktor, sowohl bei der Reputation eines Unternehmens als auch bei der Vermarktung seiner Produkte“, erklärt Richard Edelman.
(ots/ml)
Zur Umfrage
Die Umfrage wurde vom Marktforschungsunternehmen StrategyOne in 15 Minuten dauernden Telefoninterviews Ende Mai/Anfang Juni 2009 durchgeführt. Befragt wurden 1675 Meinungsführer in zwei Altersgruppen (25 bis 34 und 35bis 64 Jahre) in sechs Ländern: USA, Grossbritannien, Frankreich, Deutschland, Indien und China. Alle Meinungsführer erfüllten folgende Kriterien: Hochschulabschluss, Jahreshaushaltseinkommen im oberen Viertel des jeweiligen Landes, wöchentlich mehrmaliges Konsumieren von Wirtschafts-/Nachrichtenmedien und politischen Nachrichten.