Der Medizintechnik-Industrie stehen weltweit gewaltige Umbrüche bevor, prophezeit der Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (VDE). Wurden bisher Weltmarkt und Produktinnovationen weitgehend von den USA bestimmt, so zeichne sich in den kommenden Jahren eine dramatische Aufholjagd der asiatischen Länder ab, warnt der Verband. Dies gehe jedoch vor allem zulasten der USA. Die Prognose des VDE stützt sich auf die hauseigene Studie „MedTech 2020“, für die rund 700 internationale Experten aus Wissenschaft, Kliniken und Industrie befragt wurden.
Die Medizintechnik ist in Deutschland mit einem Gesamtumsatz von 17,8 Milliarden Euro zu zwei Dritteln exportorientiert und von der Entwicklung des Weltmarkts abhängig. Laut VDE-Studie sehen die internationalen Experten in den kommenden Jahren vor allem eine Stärkung der Innovationskraft in Asien. Sie prognostizieren, dass Asien im derzeit umsatzstärksten Bereich, der bildgebenden Diagnostik, die USA bereits bis 2020 als Vorreiter ablösen werde. Jeder zweite Befragte sieht dann Asien führend bei Produktinnovationen. Auch Europa soll in diesem Feld dramatisch zurückfallen – nur jeder sechste Experte sieht Europa 2020 noch in der Spitzengruppe.
Als wichtigste neue Innovationsfelder werden sich bis 2020 die Telemedizin und eHealth (Digitalisierung des Gesundheitswesens), die regenerative Medizin sowie Prothetik und Implantate erweisen. Vor allem bei Prothetik und Implantaten erwarten die Experten in Asien sprunghafte Fortschritte. Dagegen werde im Feld Telemedizin und eHealth Europa die USA als Technologieführer ablösen.
In anderen wichtigen Bereichen, etwa in der regenerativen Medizin, bei Diagnosen mit speziellen Probekits (in-vitro-Diagnostik) oder bei chirurgischen Instrumenten für minimal-invasive Chirurgie und Endoskopie, rechnen die Experten damit, dass die USA an Bedeutung verlieren und Europa seine Stellung weitgehend behaupten kann. Zugleich werde aber Asien deutlich aufholt.
Als wichtigste Innovationshürde sehen die Fachleute die mangelnde staatliche Förderung. Interessanterweise ist diese Meinung unter den deutschen Befragten weniger ausgeprägt als im übrigen Westeuropa. Dagegen werden in Deutschland die Zulassungsverfahren für neue Medizintechnologien als größeres Hemmnis empfunden als in den Nachbarländern, obwohl sie EU-weit einheitlich geregelt sind.
Die Medizintechnik in Deutschland investiert rund 9 % ihrer Umsätze in Forschung und Entwicklung, fast 15 % der Mitarbeiter sind in diesem Bereich beschäftigt. In der Zahl der angemeldeten Patente führt die Medizintechnik deutlich vor anderen innovationsträchtigen Branchen, etwa der Automobilindustrie oder der Datenverarbeitung.
Etwa zwei Drittel der Medizintechnik-Produkte sind nicht älter als drei Jahre. Als wichtigste Schlüsseltechnologien für die weitere Entwicklung sieht die VDE-Studie „MedTech 2020“ Computerwissenschaften, Informations- und Kommunikationstechnik sowie die Zell- und Biotechnologien.
Rund drei Viertel der Antworten stammen von Wissenschaftlern aus der angewandten Forschung, ein Fünftel aus der Grundlagenforschung. Rund 50 % der Fachleute sind an Hochschulen tätig, 26 % arbeiten in Kliniken, etwa 5 % kommen aus der Industrie. Die VDE-Studie „MedTech 2020“ kann gegen Entgelt beim VDE bezogen werden. Für VDE-Mitglieder steht sie kostenlos zur Verfügung.
(ots/ml)