Der Bundesgerichtshof fällte am Montag ein interessantes Urteil. Die Klägerin, ein geschlossener Immobilienfonds in Form einer GmbH & Co OHG, war wegen Fortfalls von Fördermitteln und der Situation auf dem Berliner Mietmarkt in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Ein Gutachten bescheinigte jedoch eine grundsätzliche Sanierungsfähigkeit. Damit die Gläubigerbanken mitmachten, mussten die Gesellschafter des Immobilienfonds u. a. neues Kapital aufbringen. Beklagte waren Gesellschafter, die sich dem Nachschießen verweigert hatten.Damit die Sanierungspläne umgesetzt werden konnten, beschloss die Gesellschafterversammlung des Fonds im Oktober 2002 mit der nach dem Gesellschaftsvertrag erforderlichen Dreiviertelmehrheit der Stimmen eine Kapitalherabsetzung um 99,9 % und gleichzeitig die Erhöhung des Eigenkapitals um rund 4,6 Millionen Euro. Die Übernahme des Neukapitals war den Gesellschaftern freigestellt. Allerdings hatte eine gleichzeitig beschlossene Änderung des Gesellschaftsvertrages zur Folge, dass diejenigen Gesellschafter, die sich nicht bis zum 31. Dezember 2003 verbindlich an der Kapitalerhöhung beteiligten, zu diesem Stichtag aus der Gesellschaft ausschieden, ohne dass es einer weiteren Erklärung der Gesellschaft bedurfte. Zwei der vier Beklagten stimmten für diese Änderungen des Gesellschaftsvertrages, die beiden anderen stimmten nicht zu.
Keiner der vier Beklagten hat sich bis zum Stichtag an der Kapitalerhöhung beteiligt. Die Klägerin ging deshalb davon aus, dass die Beklagten dem Gesellschafterbeschluss entsprechend Ende 2003 als Gesellschafter ausgeschieden und deshalb zur Begleichung des auf sie jeweils entfallenden Verlustanteils am Gesellschaftsvermögen (des sogenannten negativen Auseinandersetzungsguthabens) verpflichtet seien. Dies sollte mit einer Klage durchgesetzt werden.
Die Klage war in zwei Instanzen erfolglos, da nach Ansicht von Land- und Kammergericht die Beklagten weiterhin Gesellschafter der Klägerin sind. Das Berufungsgericht hat im wesentlichen die Ansicht vertreten, der Gesellschafterbeschluss über das Ausscheiden im Falle der Weigerung, sich durch Zuführung neuen Kapitals an der Sanierung zu beteiligen, sei unwirksam. Es handele sich bei der Änderung des Gesellschaftsvertrages um eine „mittelbare Nachschussverpflichtung“, die zu ihrer Wirksamkeit nach § 707 BGB der Zustimmung aller Gesellschafter der Klägerin bedurft hätte. Da es daran fehle, seien auch die beiden Beklagten, die zugestimmt hätten, nicht an den Beschluss gebunden.
Diese Urteile hat der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs nun aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht, das Kammergericht Berlin, zurückverwiesen.
Der Senat argumentierte im Kern gut nachvollziehbar auf der Basis einer angemessenen Ausgewogenheit der Interessen: „Die Klägerin hätte zwingend liquidiert werden müssen, wenn sich nicht der ganz überwiegende Teil der Gesellschafter bereitgefunden hätte, weitere Gelder an die Gesellschaft zu zahlen, weil nur dadurch die Kreditgeber ihrerseits veranlasst werden konnten, auf einen nicht unerheblichen Teil ihrer Forderungen gegen die Gesellschaft zu verzichten. Für den Fall des Erfolgs dieses Sanierungsplans hätten die nicht zahlungsbereiten Gesellschafter hiervon ohne eigenen finanziellen Aufwand und damit auf Kosten der risikobereiten Gesellschafter profitiert. Ein derartig unausgewogenes Verhältnis ist den finanzierenden Gesellschaftern jedenfalls dann nicht zumutbar, wenn der zahlungsunwillige Gesellschafter, wie im vorliegenden Fall, durch sein Ausscheiden nicht nur nicht schlechter, sondern sogar deutlich besser gestellt wird, als er stehen würde, wenn die Gesellschaft liquidiert worden wäre und er den dabei auf ihn entfallenden anteiligen Verlust zu tragen hätte.“
Auch die formalen Seite der Entscheidung ist nachvollziehbar. So entschied der Senat, dass die beiden Beklagten, die den Gesellschafterbeschlüssen zugestimmt haben, an ihre Zustimmung gebunden sind mit der Folge, dass die Beschlüsse ihnen gegenüber wirksam sind. Denn es war nach Ansicht des Senats weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass diese Beklagten ihre Zustimmung davon abhängig gemacht haben, dass sämtliche Gesellschafter der Klägerin den Änderungen des Gesellschaftsvertrages zustimmen.
Aber auch gegenüber den beiden anderen Beklagten gehe die Klägerin zu Recht von der Wirksamkeit des Beschlusses mit der Folge des Ausscheidens aus der Gesellschaft aus, weil beide Beklagten in der hier vorliegenden Sanierungssituation aus gesellschafterlicher Treuepflicht zur Zustimmung zu der Regelung über das Ausscheiden als Gesellschafter im Falle der Nichtteilnahme an der Kapitalerhöhung verpflichtet waren.
Zwar könne grundsätzlich kein Gesellschafter, der seinen nach dem Gesellschaftsvertrag geschuldeten Beitrag geleistet hat – wie der II. Zivilsenat in ständiger Rechtsprechung entscheidet – gegen seinen Willen zu weiteren finanziellen Beiträgen zum Erreichen des Gesellschaftszwecks gezwungen werden. Dies gelte insbesondere in Sanierungssituationen, die stets die Gefahr des Scheiterns und damit des Verlustes des neu zugeführten Kapitals bergen.
Andererseits ist es den Gesellschaftern, die die Chance einer Sanierung ergreifen wollen und deshalb bereit sind, der Gesellschaft weitere finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen, nicht notwendigerweise zuzumuten, den erhofften künftigen Sanierungserfolg mit den Gesellschaftern teilen zu müssen, die dazu nichts – nicht einmal in Gestalt des sofort zu leistenden Verlustanteils – beitragen wollen.
Ebenso wenig könnten die Gesellschafter, die nichts mehr in die Gesellschaft investieren wollen, die sanierungsbereiten Mitgesellschafter stets auf den Weg der Liquidation mit den damit durchgängig verbundenen Zerschlagungsverlusten verweisen, so der BGH-Senat. In diesen Fällen kann es die gesellschafterliche Treupflicht den zahlungsunwilligen oder zahlungsunfähigen Gesellschaftern gebieten, aus der Gesellschaft auszuscheiden und die Folgen (sofortiger Ausgleich des „negativen Auseinandersetzungsguthabens“) zu tragen.
Zur Klärung der zwischen den Parteien streitigen Frage der Höhe des jeweils zu zahlenden Auseinandersetzungsfehlbetrages hat der BGH die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
(BGH/ml)
Urteile/Beschlüsse zum Fall:
- LG Berlin, Urteil vom 1. September 2006 – 100 O 141/05
- KG Berlin, Urteil vom 19. September 2008 – 14 U 9/07
- BGH, Urteil vom 19. Oktober 2009 – II ZR 240 /08
LG Berlin, Urteil vom 1. September 2006 – 100 O 141/05