In Zeiten maßloser Manager und windiger Finanzgeschäfte muten sie wie Relikte aus einer fernen Vergangenheit an: Familienunternehmen verkörpern noch immer einen Unternehmenstyp, der die besten Eigenschaften der kapitalistischen Wirtschaftsordnung in sich vereint. Sie sind Jobmotor selbst in Krisenzeiten, praktizieren Fürsorge für ihre Mitarbeiter auch dann noch, wenn diese ein Leistungstief haben und planen nachhaltig und langfristig – nicht selten sogar über Generationengrenzen hinweg. Wer es nicht glaubt, kann all das jetzt in einer großen Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) nachlesen.Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) hat in Kooperation mit dem Institut für Mittelstandsforschung (ifm) in Mannheim die volkswirtschaftliche Bedeutung von Familienunternehmen analysiert. Im Gegensatz zu bisherigen Studien basieren die aktuellen Ergebnisse nicht auf Hochrechnungen von Stichproben, sondern auf dem gesamten deutschen Unternehmensbestand. Insgesamt flossen in die Studie die Angaben von 2,9 Mio. deutschen Unternehmen ein.
Die gestern in Stuttgart vorgestellte Studie spricht von einem familienkontrollierten Unternehmen, wenn maximal drei natürliche Personen mindestens 50 % der Unternehmensanteile halten. Nach dieser Definition sind 93 % aller Unternehmen mit Sitz in Deutschland Familienunternehmen. In den meisten dieser Unternehmen sind die Eigentümer des Unternehmens auch an der Unternehmensleitung beteiligt: 91 % aller Unternehmen erfüllen die strengere Definition von Familienunternehmen, die zusätzlich zur Anteilsmehrheit die Ausübung von Leitungsfunktionen durch die Familienmitglieder fordert: Diese bezeichnet die Studie als eigentümergeführte Familienunternehmen. Familienkontrollierte Unternehmen stellen einen Anteil von 54 % an der Gesamtbeschäftigung (eigentümergeführte 50 %) und einen Anteil von 49 % (im Vergleich zu eigentümergeführten: 40 %) am Gesamtumsatz in Deutschland.
Die Erfassung der Gesamtheit aller Familienunternehmen zeigt, dass diese besonders häufig im Handel (27 %) sowie in unternehmensnahen Dienstleistungen (23 %) und dem Bausektor (15 %) vertreten sind. Auch regionale Unterschiede werden deutlich: In Flächenländern wie Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Bayern ist der Anteil der Familienunternehmen deutlich höher als in den Stadtstaaten Berlin, Hamburg oder Bremen; unter den Flächenländern sticht einzig Hessen mit einem vergleichsweise geringen Anteil an Familienunternehmen von immerhin 88 % hervor.
Die Studie gliedert sich in zwei Teile. Zum einen werden Strukturdaten aller Familienunternehmen nach Umsatz und Beschäftigung erfasst sowie ihre Verteilung auf die verschiedenen Branchen, Rechtsformen und Bundesländer.
In einem zweiten Analyseteil untersucht die Studie die Bedeutung der 500 größten Familienunternehmen (Top 500) und stellt ihre Performance einer anderen Spitzenklasse, den DAX-Unternehmen, gegenüber. Die Ergebnisse zeigen verblüffend deutlich die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Stärken der Familienunternehmen.
„Familienunternehmen sind Jobmotor und wachsen dynamisch auch in rezessiven Zeiten“, so Prof. Dr.Brun-Hagen Hennerkes, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen, und verweist damit auf ein wesentliches Ergebnis der Studie zur volkswirtschaftlichen Bedeutung von Familienunternehmen. Demnach haben allein die 500 größten Familienunternehmen zwischen 2006 und 2008 ihre Beschäftigtenzahl jährlich durchschnittlich um 2,2 % erhöht, während nicht-familiengeführte DAX-Unternehmen im gleichen Zeitraum die Anzahl ihrer Arbeitsplätze im Schnitt um 2,6 % vermindert haben.
Eine ähnliche Situation zeigt sich auch für die Beschäftigungsentwicklung weltweit: Während die Top 500 in jedem Jahr mindestens 3 % an Beschäftigten zulegten – im Boom-Jahr 2007 sogar fast 6 %, bauten die DAX-26-Unternehmen im Jahr 2006 weltweit Arbeitsplätze ab und im Anschluss nur gering wieder auf. Zwischen 2005 und 2008 schufen die 500 größten Familienunternehmen 500.000 neue Arbeitsplätze weltweit, bei den DAX-26-Unternehmen waren es lediglich knapp 70.000 – ausschließlich im Ausland. „Die Summe dieser Ergebnisse widerlegt damit eindeutig die weit verbreitete Annahme, dass die Wirtschaft primär an der Börse gehandelt wird“, kommentiert Hennerkes.
„Gerade international tätige Familienunternehmen nutzen die Chancen der Globalisierung und tragen damit gleichzeitig zum Aufbau von Arbeitsplätzen im Inland bei“, ergänzt Hartmut Jenner, Vorsitzender der Geschäftsführung von Alfred Kärcher. Sicherlich sei die rechtzeitige und weltweite Besetzung von Marktnischen durch deutsche Familienunternehmen eine Quelle des Erfolgs; eine weitere sieht Jenner in der im Vergleich besseren Eigenkapitalquote, die in den Boomjahren stark aufgestockt wurde.
In der Struktur der Familienunternehmen sieht Jenner überdies einen stabilisierenden Faktor auf dem Arbeitsmarkt, um den uns die ganze Welt beneide: „Für Familienunternehmen gilt es, eine strategische Linie zu halten. Wir planen mit geduldigem Kapital, das heißt, wir verzichten auf kurzfristige Wachstumsschübe. Wir wachsen organisch – und nicht von Quartalsberichten und Wirtschaftsprognosen getrieben in Sprüngen.“ Hieraus ergebe sich die Chance, im Falle einer Krise frühe Gegenmaßnahmen zu ergreifen.
Dass die großen Familienunternehmen krisenresistenter sind als Nicht-Familienunternehmen, beweist die Umsatzentwicklung: Hier schneiden die Top 500 Familienunternehmen im Vergleich zu den DAX-26-Unternehmen besser ab.
Bereits im Jahr 2007 hatte die Stiftung Familienunternehmen eine Studie in Auftrag gegeben, die erstmals die volkswirtschaftliche Bedeutung der Familienunternehmen sowie die 500 umsatz- und beschäftigungsstärksten Familienunternehmen erfasst hatte. Die jetzige Aktualisierung spiegelt u. a. auch die Veränderungen in der Zusammensetzung der Top 500 wider, die sich durch Unternehmensschließungen, Übernahmen und sonstige Wachstums- und Schrumpfungsprozesse ergeben.
Die komplette Studie steht als kostenloser Download im Internet zur Verfügung.